Migros Magazin 45 (Schweiz): "Eine wunderbare Energie begann durch meinen Körper zu kreisen"

Marielle Pun, eine Rechtsanwältin aus Genf, ist eine begeisterte Praktizierende der chinesischen Meditationspraxis, dessen Rechte sie gegen die Verfolgung vertritt.

Falun Gong zu unterstützen

Dies ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das in ihrer Kindheit sehr krank war, "Oh, nicht so schlimm, daß ich im Sterben lag, ich mußte niemals ins Krankenhaus, aber ich hatte ständig Schmerzen." Eine extrem ernsthafte Form von Ekzem, welches seit dem Alter von neun Monaten mit einer Teersalbe behandelt wurde, Asthma, welches ihre Lungen schrumpfen ließ und sie am Atmen hinderte; täglich kämpfte sie gegen ihre Krankheit an. "Die positive Seite für viele Kinder mit Gesundheitsproblemen ist, daß sie einen Menschen extrem sensibel für das Leiden von anderen Menschen werden läßt; ich wußte, daß überall auf der Welt Menschen so wie ich litten."

In Genf ging sie auf die Schule Chatatelaine und dann ins Voltaire Gymnasium. Dann wurde sie Führerin, Vorgesetzte der Pfadfindergruppe, der katholischen Gruppe von Saint Mary of the People.

Ihr Totemname war Colibri. "Ich fand die Pfadfinder großartig! Und ich mochte meinen Totem, den Colibri wirklich sehr. Mir wurde gesagt: der Colibri ist ein kleiner Vogel mit einem sehr großen Schnabel und viel Durchhaltevermögen, der viele Kilometer fliegen kann, um Essen für seine Kinder zu finden."

Ein Mädchen wie dieses gibt es kaum mehr, - weit entfernt von der heutigen Jugend - die niemals einen Joint geraucht hat und für die es - weitab von jeglichem Materialismus - am wichtigsten war: "Die Werte und Ideale, die man in der Jugend entdeckt, im Leben anzuwenden." Außerdem, "umgeben von verehrungswürdigen Menschen, unter ihnen auch der Priester Andre Fol, der sich aktiv sozial engagierte," gehörte sie auch zu einer Meditationsgruppe, "um eine bessere Christin zu werden." "Zuerst an andere denken und selbstlos sein, das waren meine Leitprinzipien."

1985 hatte sie ihren Abschluß als Rechtsanwältin in der Tasche und wurde sofort eine Beamtin in der Steuerbehörde des Kantons und übernahm nach dem Tod eines Direktors mit 27 Jahren die höchste Position. Sie leitete die Rechtsabteilungen mit 40 Kollegen unter ihr. "Ich war die erste Frau, die so einen hohen Posten bekleidete." Wenn ihre Freunde sie fragen, was sie denn da in der Steuerbehörde mache, antwortet sie: "Ich versuche, meine ethischen Grundsätze und meinen Gerechtigkeitssinn in die Tat umzusetzen." Doch die 70 Stunden Woche wurde ihr nach fünf Jahren eine zu schwere Last - "und ich gab den Posten auf." Sie entschied sich, einen neuen Weg in ihrem Leben einzuschlagen: Eine Teilzeitstelle bei der Verwaltung der Genfer Universität anzunehmen und während ihrer Freizeit sich sozial zu engagieren, wie zum Beispiel Sozialvermittlung und behinderte Menschen.

Zwischen Buddhismus und Taoismus

Zur gleichen Zeit, 1992, machte Li Hongzhi die uralte Praxis Falun Gong (eine traditionelle Qigong Methode) in China bekannt, die heute in 60 Ländern praktiziert wird (seit 1996 auch in der Schweiz).

Von Anfang an unterstützte und ermutigte die chinesische Regierung die Praxis voll. Dies ging solange, bis Jiang Zemin, der ehemalige chinesische Präsident, sich der Geschwindigkeit bewußt wurde, in der sich diese Methode einfach nur von Mund zu Mund in allen Gesellschaftsschichten verbreitete und wie stark diese harmlose, doch mächtige Praxis die Herzen der Menschen gewann. Gegen Ende der neunziger Jahre - Herr Li Hongzhi war schon 1995 in die USA ausgewandert - brachte eine Umfrage der chinesischen Regierung ans Tageslicht, daß es 70 Millionen Praktizierende in China gab; das ist ein Falun Gong Praktizierender auf 12 Chinesen. Jiang Zemin befahl am 20. Juli 1999 die Verfolgung der Bewegung, so wie auch im römischen Imperium die Christen verfolgt wurden.

Eigenartige Fügung! Im selben Jahr, 1999, wurde Marielle Pun schwerkrank, sie litt ständig an Rückenschmerzen. Die Ärzte sagten "Fibromyalgiesyndrom". Etwas in ihr flüsterte immer wieder wie ein Springbrunnen: Denk an andere! Doch im Sommer 2000 mußte sie Krankheitsurlaub nehmen.

Von erfahrenen Praktizierenden weitergegeben

Ihr Vater erzählte ihr über einen Cousin in Kanada, der Falun Gong praktiziert. Marielle Pun stellte einige Nachforschungen in Genf an und entdeckte, daß diese Disziplin vollkommen locker organisiert ist, "erfahrene Praktizierende lehren die Anfänger kostenfrei, niemand möchte auch nur einen Pfennig Geld haben und niemand fragt nach deinem Namen; man muß sich nicht einmal anmelden, um bei dem Kurs mitzumachen - dies ist auch der Grund, warum die genaue Anzahl der Praktizierenden unbekannt ist." Man kommt, wann man möchte, und verläßt den Kurs, wenn man möchte, frei wie der Wind. „Innerhalb von sechs Monaten hatte sie das Gesundheitsproblem überwunden."

In ihrer Wohnung in Charmemilles zeigt sie Ihnen eine kurze Demonstration. Es ist nicht schwierig. "Nach drei Kursen von jeweils anderthalb Stunden hatte ich die Übungen gelernt... Nichts ist einfacher, man muß sich nichts lange hinein arbeiten! Es gibt nur fünf Übungen, vier im Stehen und die fünfte, wenn möglich, in der Meditation Lotus-Position (jeder macht das, wie er eben kann)." Was sie jedoch am meisten anzieht, so sagt sie, ist die Philosophie von Falun Gong: eine innere Arbeit, persönlich, im eigenen Schritttempo, sich innerlich frei zu kultivieren, im täglichen Leben, nach den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. Diese Praxis bringt einem Harmonie und innere Stärke und läßt die Energie auf wunderbare Weise durch den Körper kreisen." Sie erhebt einen, beruhigt, baut Streß und Müdigkeit ab, "öffnet die Meridiane" und ermöglicht einen, daß man seine Masken abwerfen kann.

Dann, plötzlich, ein schrecklicher Kontrast zu diesem kurzen Ausblick auf diese harmonischen Bewegungen zeigte sie uns schreckliche Fotos. Menschen werden gefoltert, mit Elektroschockgeräten geschockt, lebendig begraben, die Haut bei lebendigem Leib abgezogen, mit Narben bedeckt. Sie sagt: "In China könnte es etwa 4000 bis 10.000 Todesfälle und Hunderttausende von Menschen in Umerziehungslagern geben, andere in Psychiatrischen Anstalten."

Diffamierende Propaganda

Sie zeigte uns eine Dokumentation, in der zu sehen ist, daß es seit Beginn der Verfolgung viele Reaktionen auf internationaler Ebene gibt - das Europäische Parlament im Februar 2001, die einstimmige Resolution im amerikanischen Kongreß im Juli 2002, im März und Oktober 2004 - wie auch auf lokaler Ebene: Die Unterstützung von Joseph Deiss, dem Vorsitzenden des Außenministeriums, der im März 2000 vor der UN Menschenrechtskommission über seine Besorgnis sprach; eine Petition mit 27000 Unterschriften, die im November 2000 an die Föderationsregierung geschickt wurde; eine Position, die von der Föderationsregierung eingenommen wurde und Besorgnis über "die Unterdrückung, von der Falun Gong und Minderheiten im allgemeinen, insbesondere religiöse Minderheiten, betroffen sind" ausdrückte. Oder die Resolution des Kantonparlamentes von Genf, die sich im Oktober 2002 besorgt über die "grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung" zeigte, welcher sich Falun Gong Praktizierende gegenübersehen. Nicht zu vergessen die Stimmen von Amnesty International, Human Rights Watch und vielen anderen...

"Im Mittelpunkt dieser Unterdrückung steht die diffamierende Propaganda, welche weit verbreitet wird, deshalb die Wichtigkeit und Verantwortung der Medien", sagte Marielle Pun. "Unser einziges Gegenmittel ist, akkurate Informationen zu liefern, um diese Grausamkeiten in China zu beenden." Sie glaubt aufrichtig daran, daß, wenn man die Wahrheit sagt, dies der Gerechtigkeit den Platz einräumt, den sie benötigt. Sie denkt, daß Worte Flügel haben.

Jean-François Duval
Migros Magazine 45

2. November 2004


Quelle: http://de.clearharmony.net/articles/200412/21298.html