Eine eiserne Rose blühte im kalten Winter

Im November 2003 wurde ich ins Maoqiao Krankenhaus der Stadt Nanning, Provinz Guangxi, eingeliefert, das als Gefängniskrankenhaus der Provinz bestimmt war. Eiserne Zäune, eisenvergitterte Fenster und eiserne Türen bestätigten die Gefängnisabteilung im 3. Stockwerk. Am Morgen meiner Ankunft hörte ich eine Stimme. Als ich näher hinhörte, konnte ich erkennen, dass jemand des Lehrers (Begründer von Falun Gong: Li Hongzhi) Gedichte aufsagte.

„Im Voraus”

Der Herbst noch nicht vorbei, der Frühling ist schon da,
Die Menschen glauben nicht, alles kommt,
Der Himmel reißt auf, die Erde brennt,
Das Böse versteckt sich, die verdorbenen Menschen fliehen,
Gong strömt ein, Gespenster heulen
Dafa-Jünger, zum neunten Himmel hoch
Der Himmel und Erde beherrscht, das Dao der Menschenwelt berichtigt.
(30.12.2001)

Danach hörte ich diese Stimme ununterbrochen jeden Tag von morgens bis abends die Gedichte aufsagen. Das meistzitierte schien mir zu sein ”Den letzten Eigensinn beseitigen”: Ohne Angst existiert auch der Faktor nicht mehr, der dich fürchten lässt.

Nichts existiert

Leben, nach nichts streben,
Sterben, nicht Wert des Bleibens;
Üble Gedanken restlos ausrotten,
Nicht schwer, Buddha kultivieren.
(20.10.1991)

Ich hörte die Stimme auch aus dem Zhuan Falun (Hauptwerk von Falun Gong) rezitieren z.B. „ Das Hauptbewusstsein muss stark sein” und” Das reine Herz”.

Mit der Zeit erfuhr ich die Geschichte der jungen Frau, die unentwegt des Lehrers Worte rezitierte.

Fräulein Lin Tiemei (Tiemei bedeutet im Chinesischen eiserne Rose), etwa 30 Jahre alt, war eine graduierte Studentin an einer ärztlichen Schule in Peking. Sie sah sehr jung aus aber war abgemagert. Sie wurde im Mai 2002 festgenommen als sie zum Platz des Himmlischen Friedens ging, um für Falun Dafa zu appellieren. Als sie in Peking festgehalten wurde, weigerte sie sich, ihren Namen und Adresse anzugeben , obgleich sie auf viele Arten von der Polizei gefoltert wurde, etwa durch Elektroschocks mit der „Tigerbank”, (einem speziellen Folterinstrument). Sie wurde auch brutal verprügelt und ihr Mund wurde so schlimm zerschnitten, dass er genäht werden musste. Infolge dieser Verletzung konnte sie nicht deutlich sprechen. Durch ihren Akzent urteilten die Polizisten, dass sie aus der Guangxi- Provinz sei und verlegten sie deshalb in das Zwangsarbeitslager für Frauen von Guangxi.

Man sagte, dass Tiemei über ein Jahr lang im Hungerstreik, aus Protest gegen ihre gesetzwidrige Gefangennahme, war. Vor zwei Monaten war sie in das Gefängniskrankenhaus zur Zwangsernährung verlegt worden, weil sie infolge der grausamen Folterungen, die sie in dem Arbeitslager erduldet hatte, in Lebensgefahr schwebte. Um keine Schwierigkeiten bei der Zwangsernährung zu haben, fesselten die Krankenwärter ihre Füße mit schweren Fesseln und banden ihre Hände an das eiserne Geländer am Kopfende des Bettes. Sie durfte auch nicht zur Toilette gehen oder sich reinigen. Das Arbeitslager bestimmte zwei Strafgefangene , um sie zu beobachten. Aber diese betrachteten sie nicht als menschliches Wesen und schlugen sie oft ohne Grund ins Gesicht ( kurz vorher hatte Frau Lin bei der Leitung gegen die Gewalt appelliert und das Arbeitslager hatte zwei andere Strafgefangene zu ihrer Bewachung geschickt, weil sie ihr Gesicht bewahren wollten.) Die Fußfesseln waren so schwer, dass ihre Fußgelenke zermalmt waren. Jeden Abend nach der Zwangsernährung wurden ihr gegen ihren Willen Spritzen mit Beruhigungsmitteln gegeben. Man sagte, dass sie, wenn sie wach war, immer versuchte, in den Lotossitz zu gehen und sich rückwärts ausstreckte, damit sie ihre gefesselte Hand vor der Brust aufrichten könnte. Gleichzeitig hörte sie nie auf, Falun Dafa- Artikel oder Fa- Berichtigungs- Verse herzusagen. Es war wirklich erschütternd, dass sie solche starke Kraft behalten hatte, um das Fa (Gebot) aufzusagen, ohne Essen, ohne Trinken und so lange!

Als ihre Familie kam, um sie zu besuchen, hatten sie gewöhnlich Tränen in den Augen. Der Aufsichtsbeamter aus ihrer Schule in Peking kam auch mit dem Flugzeug geflogen, um sie zu besuchen. Viele Freunde und Verwandte sorgten sich um sie; aber sie konnten nichts tun. Die Krankenhausärzte und andere sagten:” Sie hat kein Verbrechen begangen, sie glaubt einfach nur an Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. Wie sollte es möglich sein, eines Menschen persönlichen Glauben durch Gefängnis, Folterung Zwang und Gewalt zu ändern? Sie hätte unter diesen Umständen schon vor langer Zeit entlassen werden müssen.” „ Sie gibt hohem Druck, Kraft und Gewalt nicht nach. Falun Gong- Praktizierende sind sogar noch beharrlicher als die Geschwister Jiang und Liu Hulan (zwei weibliche chinesische Heldinnen, die ihr Leben für andere Menschen hingaben). Würden wir solche Leiden aushalten, wenn wir in solche Lage kämen?” Es war klar, dass alle Menschen in dem Krankenhaus, die ihre Geschichte kannten, sie sehr bewunderten.

Später verließ ich das Gefängniskrankenhaus; aber ich werde Lin Tiemei nie vergessen, der ich nie begegnet bin, außer durch das Hören ihrer Stimme. Sie war wie eine Rose, aus Diamant geschmiedet mit einem wunderbaren Duft, der nie aus meinem Herzen verschwinden wird. In ihr können die Menschen das Beispiel einer erleuchteten Frau in dieser gewöhnlichen Welt erkennen, in der die Menschen um materiellen Nutzen kämpfen und gar nicht wissen, was wahrer Glaube bedeutet.