Hinter den Missverständnissen

Während der Arbeit an einem Projekt hatte ich Missverständnisse über eine Mitpraktizierende; dies veranlasste mich zum Nachzudenken. Beispielsweise dachte ich, dass diese Praktizierende ihren Ruf als „intelligente Person" beschützt und sie ihre Schwächen vor anderen versteckt hält.

Zu jener Zeit dachte ich, dass etwas falsch war, konnte es aber nicht benennen. Da ich Angst hatte, der Praktizierenden weh zu tun, sagte ich ihr nicht direkt meine Meinung, obwohl ein anderer Praktizierender mir vorschlug, ihr gegenüber die Verantwortung zu übernehmen und sie auf ihre Schwächen hinzuweisen. Ich musste vorher erst einmal bei mir selbst nachsehen und prüfen, ob auch keine falschen Gedanken da waren. Ich prüfte mich schnell und fand, dass bei mir kein Fehler vorhanden war. Daraufhin entschied ich, einen Artikel über mein Verständnis zu schreiben und damit der anderen Praktizierenden zu "helfen".

Als ich aber darüber nachdachte wie ich den Artikel schreiben sollte, erkannte ich, dass ich immer nur Fehler bei den anderen fand und nicht bei mir selbst nachschaute. Was war also mein Problem? Nachdem ich sorgfältig darüber nachgedacht hatte, war ich sehr beunruhigt. Schließlich fand ich die grundlegende Ursache, warum ich nicht mit den Mitpraktizierenden zufrieden war.

Bei jedem Menschen in meinem täglichen Leben, besonders aber bei Mitpraktizierenden, suche ich schon bei der ersten Begegnung nach ihren Schwächen. In der Vergangenheit machten mich viele Mitpraktizierenden darauf aufmerksam, dass ich eine spitze Zunge habe und sehr scharf werden kann. Ich war frustriert. Warum war ich unfähig, die Stärken der anderen zu sehen? Kann ich die Projekte, an denen ich gerade arbeite, koordinieren, wenn ich so weiter mache? Wie kann ich die Fähigkeiten meiner Mitpraktizierenden besser nutzen? Teilweise entstand meine Hemmung wegen meiner Bedenken bei der Koordinierung des Projektes; aber der wirkliche Grund war mein Eigensinn, mich über die anderen Praktizierenden zu stellen. Wenn ich die Schwächen meiner Mitpraktizierenden sehe, ordne ich sie sogleich in mein Bewertungsschema ein; dies gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, weil ich so jeden unter meiner Kontrolle habe. Wenn ich die Schwächen eines Mitpraktizierenden nicht sehen konnte oder nicht wusste wie ich seine/ihre Schwächen ”testen”, ”kontrollieren” oder ”beeinflussen” konnte, beschlich mich ein starkes Gefühl der Unsicherheit. Die Mitpraktizierende über die ich mich beschwert hatte, war genau von diesem Typ.

An diesem Punkt meiner Aufzeichnungen trat eine tief verwurzelte Eifersucht zu Tage.
Als Folge meiner Eifersucht, hatte ich mir viele vorgefasste Meinungen über andere Praktizierende gebildet, die nur dem Zweck dienten, mich über sie zu stellen, tüchtig zu erscheinen und besser als die anderen Praktizierenden zu sein. Diese Vorstellungen blockierten meine Zusammenarbeit mit den Mitpraktizierenden und meine Einstellung zu Falun Dafa. Hierzu zwei Beispiele: Bei einer Konferenz zum Erfahrungsaustausch von Dafa Praktizierenden war die erste Sprecherin eine Praktizierende, von der ich keine gute Meinung hatte. Nach der Konferenz beklagte ich mich bei anderen Praktizierenden, dass diese Konferenz "die schlechteste aller Konferenzen" gewesen war. Die Worte der Mitpraktizierenden klangen für mich sarkastisch, sogar als sie am Ende ihrer Rede sagte, dass Sie dem Lehrer Li Hongzhi bis zum Ende Ihrer Kultivierung folgen werde. Ich fragte mich, was mit mir los war. Obwohl sie und ich nicht viel zusammen gearbeitet hatten, wurden mir von anderen Praktizierenden E-Mails von ihr weitergeleitet. Auf der Basis dieser E-Mails hatte ich mir über sie eine Meinung gebildet. Meine menschlichen Vorstellungen hinderten mich daran, irgendetwas zu akzeptieren, was sie sagte.

Kürzlich initiierten einige Praktizierende eine intensive Diskussion aus Anlass der Veröffentlichung einiger Artikel über Falun Gong in den Medien. Überzeugt davon, sehr tolerant zu sein, forderte ich andere Praktizierende gerne auf, "bei sich selbst zu suchen". Meine Meinung war, dass die schlechten Medienberichte nicht auf Fehler der Praktizierenden zurückzuführen waren, die interviewt worden waren. Es waren keine Fehler. Wir kultivieren uns und sollen nicht übertrieben kritisch sein. Als ich jedoch sah, dass jene Praktizierenden "bei sich selbst suchten", stimmte dies nicht mit meinen Erwartungen überein und meine unbarmherzige Haltung kam zum Vorschein: "Dies ist wirklich ungeheuerlich. Sie können sich glücklich schätzen, dass wir sie nicht dafür beschuldigen. Nun suchen Sie nicht einmal bei sich selbst!"

Als andere Praktizierende aufrichtig die verstandenen Prinzipien austauschten, spürte ich die enorme Toleranz und Barmherzigkeit von Falun Dafa. Eine dicke Hülle war mit mir verschmolzen und ich fühlte mich sehr entspannt. Nun hatte ich keine unangemessen hohe Meinung mehr von mir selbst. Ich verstand, dass sich mein Vertrauen in Mitpraktizierende von meinem Vertrauen zu Falun Dafa ableitet und nicht wie zuvor, weder von meinem Vertrauen in meine eigenen Vorstellungen, noch von der Position die ich den Mitpraktizierenden zugewiesen hatte. Durch die Worte und das Verhalten der Mitpraktizierenden verstand ich "Das Lernen vergleichen, Kultivieren vergleichen" 1 bedeutet herauszufinden, wie weit ein Praktizierender von den Anforderungen des Fa entfernt ist; das bedeutet nicht, das Fa oder meine eigenen Vorstellungen dazu zu verwenden, um herauszufinden was Mitpraktizierende falsch gemacht haben.

Als ich mich gestern Abend entschloss, diesen Artikel zu schreiben, kam mir plötzlich der Gedanke dies doch nicht zu tun. Immer noch widerstrebte es mir, meine Eifersucht zu offenbaren. Warum widerstrebte es mir, diese zum Vorschein zu bringen? Der Grund war, dass ich weiterhin an meinem Eigensinn festhielt und mich weigerte diesen loszulassen. Als ich mir darüber bewusst wurde, schrieb ich meine Erkenntnis, die ich zuvor erwähnte, während der Mittagspause nieder. Zu Beginn wusste ich nicht wie und womit ich anfangen sollte, zumal mein Verständnis unvollständig war. Als meine Gedanken jedoch klar und konzentriert wurden, floss der Artikel geradezu ohne jegliches Zögern aus der Spitze meines Füllfederhalters! Ich wusste, dass die Macht nicht von mir kam. In Wirklichkeit habe ich keine.

Vielen Dank Meister Li Hongzhi! Vielen Dank an alle Mitpraktizierenden!

1 "Das Lernen vergleichen, Kultivieren vergleichen" -- Eine Zeile aus dem Gedicht " Solide kultivieren " aus Hong Yin, Gedichte von Meister Li Hongzhi.