AP: Chiles Gericht hebt Pinochets Immunität auf

SANTIAGO, Chile (AP) - Chiles oberster Gerichtshof hebt die Immunität von General Augusto Pinochet vor strafrechtlicher Verfolgung auf. Am Donnerstag wird der Weg für einen möglichen Strafprozess gegen den ehemaligen Diktator wegen seiner Verletzung der Menschenrechte geebnet.

Das Gericht stimmte mit 9 zu 8 dafür, die Immunität des 88-jährigen Pinochet aufzuheben, welche er als ehemaliger Präsident genießt, sagte ein Sprecher des Gerichtes.

Der Beschluss hebt die wesentlichste rechtliche Hürde bei den Versuchen der Ankläger, Pinochet vor Gericht zu bringen auf, in Ergänzung zu seinen rechtlichen Problemen, nachdem chilenische Ermittlungsbeamte neulich eine Untersuchung von dollarschweren Bankkonten in Millionenhöhe in den USA einleiteten.

Der Beschluss gründet sich auf eine Strafanzeige, die im Namen der Opfer der ”Operation Condor» gestellt wurde, die, wie sie sagten, ein abgestimmter Plan zur Unterdrückung der Gegner der Militärdiktatur war, die die südamerikanische Nation in den 70iger und 80iger Jahren beherrschte.

Obwohl Pinochet niemals in Verbindung mit der ”Operation Condor” angeklagt wurde, signalisierte der Regierungssprecher Francisco Vidal, dass der Beschluss den Weg für eine mögliche Untersuchung eröffnete.

”Niemand ist über dem Gesetz.», sagte Vidal. Er ging nicht näher darauf ein, dass viele Beobachter voraussagten, dass es ein langwieriger juristischer Kampf werde.

Der oberste Gerichtshof hatte in der Vergangenheit erklärt, dass Pinochet aufgrund seiner schlechten physischen und psychischen Verfassung einen Prozess nicht durchstehen könne. Der Sprecher des obersten Gerichtshofes, Juan Cristobal Mera, veröffentlichte nicht gleich Einzelheiten der Auffassung des Gerichtes.

Die Rechtsanwälte hatten neue Beweise, welche nahe legen, dass Pinochet einen Prozess aushalten kann. Zu den Beweisen gehört ein im Jahre 2003 aufgezeichnetes Interview, in welchem er ganz ruhig Fragen über seine Herrschaft beantwortet.

Pinochets Sprecher im Ruhestand, General Guillermo Garin drückte seine Überraschung über den Beschluss aus.

„Die Überraschung kommt daher, weil die Gesundheit des Ex-Präsidenten sich überhaupt nicht verändert hat,” sagte er und fügte hinzu, dass die Gesundheitsprobleme des Generals „fortschreiten würden und unheilbar seien”.

Ein Bericht von Gerichtsärzten von 2002 gab an, dass Pinochet an einer leichten Form von Demenz leide. Er habe einen Herzschrittmacher, leide an Diabetes und Arthritis und habe seit 1998 wenigstens 3 leichte Schlaganfälle gehabt.

Im November 2003 trat Pinochet in einem Interview eines in Miami stationierten Spanisch sprechenden TV-Senders auf und sagte, er betrachte sich selbst als einen ”guten Engel» und gab Untergebenen die Schuld an dem Machtmissbrauch während seines Regimes.
Pinochet gelangte bei einem blutigen Putsch im September 1973 an die Macht, der den gewählten, linksgerichteten Präsidenten Salvador Allende stürzte. Die Familie und seine Anhänger erzählten, dass Allende im Präsidenten-Palast Selbstmord beging, nachdem dieser unter Beschuss war und in Flammen stand.
Pinochet setzte seine Herrschaft bis ins Jahr 1990 fort, und nach einem Bericht der Zivilregierung, die auf ihn folgte, sind während seines17-jährigen Regimes 3 197 Menschen gestorben oder verschwunden.

Lorena Pizarro, die Vorsitzende einer Organisation für Verwandte von Opfern der Unterdrückung unter Pinochets Diktatur, sagte, dass die Ankläger jetzt schnell handeln müssten, um ihn vor Gericht zu bringen.

”Pinochet muss vor ein Gericht!», sagte sie. „Er muss zahlen für all seine Verbrechen für die er verantwortlich ist. Das soll die Möglichkeit eröffnen, Menschenrechtsverletzer vor Gericht zu bringen.»
Eine Gruppe von über 100 Pinochet-Gegnern jubelten, als die Entscheidung des Gerichtes in Santiago bekannt wurde, wo die Protestierenden diese Woche eine Gerichtshof-Mahnwache neben Polizei-Barrikaden gehalten hatten.
Pinochet sieht sich jetzt noch mit anderen rechtlichen Problemen konfrontiert.

Vor kurzem wurde eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, nachdem eine Behörde sagte, dass US-Ermittlungen den Verdacht hatten, dass er bei der in Washington ansässigen Riggs-Bank, Konten mit Einlagen zwischen 4 und 8 Millionen $ unterhielte.

Anfang diesen Monats beantwortete Pinochet Fragen während seines Erscheinens vor einem Gericht, das Ermittlungen über die Quellen dieses Geldes anstellte.