Australisches Fernsehen: Chen Yonglin sagt aus, dass ein chinesischer Beamter des Büros 610 zur chinesischen Botschaft in Australien gegangen sei, um deren Unterdrückung von Falun Gong zu inspizieren [Auszug]

Niederschrift aus dem „Lateline”-Fernsehprogramm
„Chinesischer Überläufer gibt nähere Angaben zu Spionage-Behauptungen”
Sendung: 20. Juni 2005
Reporter: Tony Jones


TONY JONES: Zurück zu unserem Interview mit dem vermeintlichen chinesischen Überläufer, dem Diplomaten Chen Yonglin. In Anbetracht dessen, was er über die Aktivitäten eines chinesischen Informanten- und Agentennetzwerkes in diesem Land ausgesagt hat, wurde auf die Regierung jede Menge Druck ausgeübt, um sicherzustellen, dass Herr Chen geschützt wird. Ihm wurde die Telefonnummer eines Polizisten gegeben, damit er anrufen kann, falls ihm auf irgendeine Weise gedroht wird. Auf Grund der langsamen Bearbeitung seines Asylantrages verstehen wir jetzt, warum er sagt, dass er in der ständigen Angst lebe, zurückgeschickt und dort [in China] inhaftiert oder getötet zu werden. Heute Abend untermauerte Herr Chen mehr Details seiner Behauptung darüber, wie das Netzwerk operiere und was seine Schlüsselziele seien. Ich sprach vorgestern in Sydney mit ihm.

[...]

TONY JONES: Können Sie die Existenz des „Büros 610” bestätigen, für das der übergelaufene Polizist Herr Hao in China gearbeitet hat? Können Sie bestätigen, dass das „Büro 610” in China existiert?

CHEN YONGLIN: Ja, das „Büro 610” wurde am 10. Juni 1999 gegründet. Aus meiner Sicht wurde es gegründet, um die Falun Gong-Organisation zu kontrollieren und Falun Gong-Praktizierende zu verfolgen.

TONY JONES: Um sie zu verfolgen?

CHEN YONGLIN: Ja.

TONY JONES: Ist es unter den chinesischen Beamten, Diplomaten, Konsulaten und so weiter allgemein bekannt, dass das „Büro 610” existiert? Denn die chinesische Regierung behauptet, das es nicht existiere.
CHEN YONGLIN: Es existiert. Jeder Diplomat, der im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten arbeitet, weiß, dass das „Büro 610” existiert.

TONY JONES: Wie sammelt das „Büro 610” Informationen über einzelne Chinesen in Australien? Haben Sie eine Idee?

CHEN YONGLIN: Ich glaube, dass nicht nur das Konsulat Informationen über Falun Gong-Aktivitäten sammelt. Meiner Meinung nach gibt es noch einige andere Abteilungen [die damit beauftragt sind].

TONY JONES: Welcher Art sind diese Abteilungen?

CHEN YONGLIN: Ich denke, dazu gehören einige Sicherheitsleute.

TONY JONES: Operieren diese Sicherheitsleute innerhalb oder außerhalb der Botschaft?

CHEN YONGLIN: Außerhalb der Botschaft.

TONY JONES: Also, sie infiltrieren die australische Gesellschaft, aber sind Mitglieder des Sicherheitsdienstes, ist das richtig? Oder vielleicht des Sicherheitsapparates?

CHEN YONGLIN: Ja, aber ich bin mir nicht ganz sicher, wie sie in Australien operieren.

TONY JONES: Sind dies die Leute, die Sie als Spione und Agenten beschreiben?

CHEN YONGLIN: Ja, Informanten. Die Zahl von 1 000 geheimen Agenten und Informanten erhielt ich durch ein Dokument.

TONY JONES: Also, Sie lasen tatsächlich ein Dokument, welches ... .
CHEN YONGLIN: Ja.

TONY JONES: ... als Sie im Konsulat waren ...

CHEN YONGLIN: Ja.

TONY JONES: ... welches die Anzahl der Informanten und Agenten im Land auflistete?
CHEN YONGLIN: Ja.

TONY JONES: Würden Sie sich bitte ein Dokument anschauen, das uns gegeben wurde? Es ist eines der Dokumente, das uns der übergelaufene chinesische Polizist, Herr Hao aus Australien, mitgebracht hat. Er hatte es seinem Polizeicomputer entnommen. Könnten Sie einen Blick darauf werfen und schauen, ob es sich hierbei um ein echtes Dokument handelt?

CHEN YONGLIN: Ja, dieses Dokument scheint echt zu sein, außer, dass es keine Briefmarke hat. Ich glaube, es ist echt.

TONY JONES: Ja. Für das Publikum sollte ich hinzufügen, dass ich Ihnen dieses Dokument schon gezeigt hatte. Es beinhaltet Namen von Personen, und auf einigen anderen Dokumenten konnten wir Namen von Personen lesen, die in diesem Land gezielt überwacht wurden, einschließlich der jungen chinesischen Studentin Yan Yang. Das Dokument sagt aus, dass sie ein Falun Gong-Mitglied sei, die ihre Aktivitäten in der NSW-Universität organisiert habe. Sie war ziemlich schockiert, als sie dieses Dokument sah. Erschreckt es Sie, dass Ihnen in diesem Land jemand so nah gefolgt ist, dass es [ein Dokument mit Aufzeichnungen] in einem Polizeicomputer erscheint?

CHEN YONGLIN: Es scheint ziemlich normal zu sein, dass einige Studenten, ob Chinesen oder nicht, irgendwelche Verbindungen zum Konsulat oder zu der Botschaft haben. Sie reden vielleicht auch über die Aktivitäten von Falun Gong.

TONY JONES: Glauben Sie, dass einige andere Studenten vielleicht der Botschaft oder dem Konsulat erzählen, was ihre Mitstudenten machen. Ist es das, was Sie meinen?

CHEN YONGLIN: Ja, das ist möglich.

TONY JONES: Lassen Sie mich einige Fragen über das „Büro 610” und seine Verfolgung von Falun Gong stellen: Wenn Ihr Name in einem Dokument wie diesem erscheinen würde und Sie ein Student in Australien wären, was würde Ihnen passieren, wenn Sie nach China zurückgehen würden?

CHEN YONGLIN: Ach, ich würde definitiv überwacht werden, unter der Aufsicht der Sicherheitsbeamten stehen, und meine Bewegungsfreiheit in China wäre eingeschränkt.

TONY JONES: Jetzt verstehen wir, dass 250 000 chinesische Bürger in Arbeitslager gehalten oder dort „erzogen” werden, wie es beschönigend genannt wird. Das ist das eigentliche Bild der Regierung. Verstehen Sie - ich meine, wussten Sie als chinesischer Beamter von diesen Arbeitslagern und ihrer Funktion bei der Unterdrückung von Dissidenten?

CHEN YONGLIN: Die ganze Welt weiß, dass viele pro-demokratische Aktivisten in den Gefängnissen Chinas sitzen. Auch mir wurde von höheren Beamten des „Büros 610” erzählt, dass es ungefähr 60 000 Praktizierende in China gäbe und sich die Hälfte von ihnen in Gefängnissen bzw. Arbeitslagern befände.

TONY JONES: Wurde Ihnen das erzählt?

CHEN YONGLIN: Das wurde mir erzählt.

TONY JONES: Von einem ...

CHEN YONGLIN: Von einem höheren Beamten des „Büros 610”.

TONY JONES: War das, als Sie ... ?

CHEN YONGLIN: Ich arbeitete im chinesischen Konsulat, und dieser höhere Beamte inspizierte unsere Arbeit im Hinblick auf Falun Gong.

TONY JONES: Sie schickten ein älteres Mitglied des „Büros 610”, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Arbeit gut machen ...?

CHEN YONGLIN: Ja.

TONY JONES: ... die Überwachung der Falun Gong-Aktivitäten, stimmt das?

CHEN YONGLIN: Ja natürlich. Er sagte, dass das Konsulat mehr über die Umsetzung der Regierungserklärung der Politikstrategie erfahren wolle, wie ein Kampf, Auge um Auge, es sollte aggressiver sein.

TONY JONES: Wann war das?

CHEN YONGLIN: Das war Ende 2003.

TONY JONES: Lassen Sie mich das verstehen: Ihnen wurde von einem höheren Beamten des „Büros 610” in Sydney aufgetragen, dass Sie den Falun Gong-Mitgliedern Auge in Auge gegenübertreten sollten und bei ihrer näheren Überwachung aggressiver sein sollten, ist das richtig?
CHEN YONGLIN: Richtig.

TONY JONES: Taten Sie das?

CHEN YONGLIN: Nein. Und das missfiel ihnen.

TONY JONES: Diese Nachricht ging auch an andere Mitglieder des Konsulates, an andere Diplomaten und auch an die Botschaft von Canberra. Wussten Sie das?

CHEN YONGLIN: Ja, ja.

TONY JONES: Diese Nachricht kam aus China: Wir müssen bei den Falun Gong-Mitgliedern in Australien durchgreifen.

CHEN YONGLIN: Ihre Idee ist, dass ausländische Missionen für die Probleme in China verantwortlich sind. Wenn es aus dem Ausland keine Störungen in China gäbe, könne das „Büro 610” jedes Problem in China lösen. Dies sollte die Falun Gong-Frage sehr schnell beenden.

TONY JONES: In der Tat, wollen Sie damit sagen, dass die großen Probleme in China von Ländern wie Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten verursacht werden, wo Auslandschinesen für Falun Gong arbeiten?

CHEN YONGLIN: Im Ausland üben die Falun Gong-Praktizierenden Druck auf ihre Regierungen und die chinesische Regierung aus. Sie organisieren viele Aktivitäten und mobilisieren ihre Kräfte, um China zu beeinflussen.

[...]

Quelle: http://www.abc.net.au/lateline/content/2005/s1396471.htm