Wall Street Journal: Kommentar: Die ungehaltenen Bittsteller Chinas [Auszug]

Von SARA DAVIS

(Minghui.de) In diesem Sommer brachte ich ein Untersuchungsteam nach Peking, das die Misshandlungen von Bittstellern durch die Polizei für einen zu erstellenden Bericht zur Überprüfung der Menschenrechte untersuchen sollte. In einem Zeitraum von zwei Wochen zottelten die Opfer zu zweit und in kleinen Gruppen in unsere verschiedenen Sprechzimmer, die überall in der Stadt versteckt lagen. Einige waren auf Krücken, nachdem sie in der Haft geschlagen worden waren, während andere auf Grund von Folter Finger verloren hatten. Viele starrten nach langen Monaten der Haft ausdruckslos vor sich hin. Zusammen bildeten sie einen Strom von Inlandsflüchtlingen, der auf der Flucht vor der staatlichen Gewalttätigkeit war. In starken örtlichen Dialekten berichteten sie über ihre Erfahrungen mit der polizeilichen Gewalttätigkeit einschließlich über Attacken von örtlichen Polizisten, die nach Peking gekommen waren, um sie daran zu hindern, zu appellieren.

Kürzlich kündigte China ein neues Programm an, das diese Probleme lösen soll: Der Staat wird diese Bittsteller wieder zu den örtlichen Polizeichefs zurückschicken. Das Programm ist entweder naiv oder zynisch: es ist als ob man Schafe zu den Wölfen schicken würde.

Um fair zu sein, muss gesagt werden, dass in einigen Fällen Polizeichefs ehrliche Beamte sind, die sich fair verhalten. Aber andere sind genau die Polizeichefs, die zuerst die örtlichen Beamten dazu anhielten, die Gesuchsteller zu schlagen, sie zu foltern und sie einzusperren, um sie gleich von Anfang an davon abzuhalten, nach Peking zu kommen. In ein paar Fällen, und bei dem Gedanken daran erschrickt man, werden es genau dieselben Polizeibeamten sein, die die Ursache für die eigentliche Klage sind.

Ohne einen grundlegenden Schutz gegen Vergeltungsmaßnahmen könnte dieses neue Programm die Tür öffnen für eine Unmenge neuer Misshandlungen. China muss als Bestandteil von egal welcher Langzeitlösung für sein funktionsgestörtes Bittstellersystem zunächst eine gründliche Polizeireform durchführen.

Es ist überhaupt keine Frage, dass das Petitionssystem, eine einzigartige chinesische, kulturelle und rechtliche Institution, der Reparatur bedarf. Jedes Jahr zieht es mehrere zehntausend Bauern und andere nach Peking in der Hoffnung, dass ein Staatsbeamter sich für sie in ihren örtlichen Fällen verwendet. Viele sind Opfer von Beamtenkorruption, Zwangsumsiedlung und polizeilicher Brutalität. Diese „Bittsteller” üben ein uraltes chinesisches Recht aus, das durch das staatliche Gesetz geschützt ist, und dies gesteht egal wem zu, eine Klage bei der Regierung einzureichen.

Viele Bittsteller versuchten zuerst etwas bei den örtlichen Gerichten zu erreichen und fanden dort keine Gerechtigkeit. In Peking zu appellieren ist der letzte gerichtliche Ausweg. Doch dort werden auch nur wenige zufrieden gestellt. Viele geben die Ersparnisse ihres Lebens aus, während sie auf die offizielle Antwort auf ihren Appell warten und landen in einer Barackensiedlung der Verwahrlosung wie in einem Dickens-Roman, die als das „Bittstellerdorf” bezeichnet wird, wo sie ihr Lager aufschlagen und von Abfällen leben, die sie von den Straßen auflesen. Obwohl viele von diesem labyrinthischen System im Stich gelassen werden, gibt es wenig andere Möglichkeiten innerhalb des schwachen Rechtssystem Chinas und daher steigen die Zahlen der Bittsteller an. Im ersten Quartal 2005 berichtete das Staatsratsbüro für Petitionen in Peking über einen Anstieg von mehr als 90 Briefen und Besuchen im Vergleich zum gleichen Zeitraum im letzten Jahr.

Doch Antragsteller, die sich in Peking beklagen, können bei den Aufsichtsführenden in der Hauptstadt ein schlechtes Bild über die Behörden in der Provinz werfen. Daher schicken die Provinzverwaltungen Polizei in Zivil und Gewaltverbrecher nach Peking, die dort den Bittstellern aus ihrer Heimatprovinz auflauern. Wenn diese Beamten, die sogenannten „Zurückholer”, Bittsteller finden, schlagen sie sie häufig oder drohen ihnen. Manchmal packen sie die Gesuchsteller in Autos und nehmen sie mit zurück nach Hause. Dort werden einige von ihnen freigelassen, während andere ohne Gerichtsverhandlung in eine Haftanstalt geworfen werden.

Ein Mann aus der Provinz Henan, den wir in Zentralchina trafen, hatte Jahrzehnte lang appelliert und war viele Male „zurückgeholt” worden. Seine „Saga” begann, als die örtlichen Beamten Gewaltverbrecher anheuerten, um wegen einer Landforderung seinen Vater töten zu lassen.

Als er in Henan keine Gerechtigkeit fand, appellierte er in Peking. Dort wurde er von „Zurückholern” aus der Provinz gefasst, die seine zwei Mittelfinger dauerhaft verkrüppelten. Dann brachten sie ihn in die Haftanstalt in Henan - dabei handelt es sich um eine unbenutzte Armeebaracke. Dort hielten sie ihn eine Zeitlang fest, damit er für sie kochte. Doch als ein Blizzard das ungeheizte Gebäude zerstörte, erklärte ihm die Polizei, dass er frei sei und gehen könne. Sofort kehrte er nach Peking zurück, um zu appellieren und erzählte, dass er auf die gleiche Weise wieder ergriffen und mehrmals geschlagen wurde. Jetzt wagt er nicht mehr, das Bittstellerdorf zu verlassen.

Seine Geschichte war extrem, jedoch nicht ungewöhnlich. Die Bittsteller werden dafür, dass sie ihr gesetzlich garantiertes Recht auf Petition wahrnehmen, häufig in den örtlichen Haftanstalten eingesperrt. Eine Antragstellerin, die in ihren Sechzigern war, sagte uns, dass, sie, als sie wissen wollte, warum sie eingesperrt war, die Beamten gesagt hätten: „Sie haben nichts Gesetzwidriges gemacht. Wir machen dies, um sie davon abzuhalten, Petitionen einzureichen.”

Ironischer- und tragischerweise wollen viele Gesuchsteller, die so misshandelt werden, ursprünglich eine Petition wegen Polizeimisshandlung einreichen. Wir befragten mehrere Eltern, die zu appellieren anfingen, nachdem ihre Söhne in Polizeigewahrsam verstarben.