Tagesanzeiger (Schweiz): Nebenbei für die Menschenrechte

Bern. - Die Schweiz hat die Chinareise von Wirtschaftsminister Joseph Deiss Mitte Juli genutzt, um zu Gunsten einer inhaftierten Falun-Gong-Anhängerin zu intervenieren. Dies wurde erst jetzt, anderthalb Monate nach der Wirtschaftsmission, durch die bundesrätliche Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss publik.

Danach hat die Schweiz gegenüber den Behörden der Stadt Suzhou ihre «Besorgnis» über die Inhaftierung von Qui Mingua zum Ausdruck gebracht. Die Frau wird nach Angaben ihrer Tochter, die an der Hochschule St. Gallen studiert, seit mehr als acht Monaten festgehalten - bloss weil sie als Falun-Gong-Anhängerin nach Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht strebe. In ihrer Angst, ihre Mutter könnte gefoltert und zu Zwangsarbeit gezwungen werden, hatte sich die junge Chinesin Hilfe suchend an Parlamentarier und Bundesräte gewandt (TA vom 2. Juni).

In China seien Tausende von Anhängern der Falun-Gong-Bewegung inhaftiert, räumt der Bundesrat in seiner Antwort an den grünen Waadtländer Nationalrat Luc Recordon ein. Auch Foltervorwürfe seien bekannt. Das Aussendepartement (EDA) habe seine Besorgnis gegenüber den chinesischen Behörden mehrfach zum Ausdruck gebracht. Die Schweiz setze sich ein «für ein Ende der Repression» gegen die Anhänger von religiösen und spirituellen Bewegungen wie Falun Gong.

Im konkreten Fall hat nun während eines Mittagessens der Schweizer Wirtschaftsdelegation der Schweizer Botschafter in China, Dante Martinelli, bei den zuständigen Stadtbehörden interveniert, wie Deiss' Sprecherin Evelyn Kobelt auf Anfrage bestätigte. Dass der Wirtschaftsminister auf seinen Auslandreisen die Menschenrechte immer wieder zur Sprache bringt, anerkennt man auch im EDA.

So hat sich Deiss, wie Kobelt bestätigt, letzten Monat während seiner Libyenreise persönlich auf höchster Ebene für die fünf bulgarischen Krankenschwestern eingesetzt, die in einem zweifelhaften Schauprozess zum Tod verurteilt wurden (TA vom 5. Juli). Ihnen wird vorgeworfen, libysche Kinder mit dem Aidsvirus infiziert zu haben. In Tat und Wahrheit werden sie vom libyschen Regime als Sündenböcke vorgeführt und für aussenpolitische Zwecke missbraucht. (bvr)

Tages-Anzeiger; 06.09.2005

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