Südwest Presse: "Eigenen Anspruch nicht umgesetzt"

INTERVIEW / China-Experte von Amnesty rügt IOC

(Minghui.de)

Dirk Pleiter: Olympia allein als "Kraft des Guten" reicht nicht.

Das Internationale Olympische Komitee wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Das zumindest sagt Dirk Pleiter, China-Experte bei Amnesty International. Er will, dass die Sportverantwortlichen stärker auf die Einhaltung der Menschenrechte in China dringen.

Herr Pleiter, 2001 hat Peking den Zuschlag für Olympia 2008 bekommen, auch mit dem Versprechen, die Menschenrechtssituation zu verbessern. Was hat sich bis heute getan?

DIRK PLEITER: Es hat einige kleine positive Schritte gegeben. Insgesamt müssen wir aber sagen, der Fortschritt ist eher enttäuschend.

Was prangern Sie besonders an?

PLEITER: Unsere Anliegen in China sind seit 30 Jahren kaum verändert. Es gibt weiter Verfolgung aus politischen und religiösen Gründen, unfaire Gerichtsverfahren und die Möglichkeit, Menschen ohne Verfahren längerfristig zu inhaftieren. Zudem sind Folter und Misshandlung verbreitet. Intensiv wird die Todesstrafe angewandt. Altbekannte Repressionsinstrumente also.

Wie kommt Peking damit durch? PLEITER: Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Zum einen Chinas wirtschaftlicher Einfluss. Außerdem ist die Volksrepublik Mitglied des Weltsicherheitsrates. Da ist man eher bereit, mit zweierlei Maßstäben zu messen. Folter und Misshandlung sind in China eigentlich verboten. Man muss sich als Staat natürlich auch bemühen, ein solches Verbot umzusetzen. Da fangen die Probleme an. Bei ethnischen Minderheiten wie Tibetern oder Uiguren und religiösen wie Falun Gong haben wir den Verdacht, dass Folter und Misshandlung geduldet, wenn nicht gar systematisch angewendet werden. Auch die Politik verlässt sich oft allzu sehr darauf, dass allein durch die wirtschaftliche Entwicklung und die Ausweitung des Handels in China ein Wandel zum Besseren in Gang kommt. Das tut sie schon seit Ende der 70er Jahre.

Wie sehen Sie die Rolle des Internationalen Olympischen Komitees?

PLEITER: Mittlerweile kann man sagen, dass das IOC seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Wenn die Entscheidung für ein Land fällt, in dem es massive Menschenrechtsverletzungen gibt, müssen sich die verantwortlichen Organisationen auch um das Thema kümmern. Schließlich beruft sich der Sport ja selbst immer wieder auf die Menschenrechte, und in der Olympischen Charta ist die Würde des Menschen festgeschrieben. Genau dieser Anspruch wird nicht umgesetzt.

Was wird aktuell versäumt?

PLEITER: Zum Beispiel, von China einzufordern, dass die Versprechen von 2001 gehalten werden. Wenn heute IOC-Präsident Jacques Rogge nach China reist und dort davon spricht, dass Olympische Spiele die "Kraft des Guten" seien, dann reicht das einfach nicht aus. Hier ist ein aktives Menschenrechts-Engagement gefordert.

Was könnte das IOC tun?

PLEITER: Man sollte sich intensiv für diejenigen einsetzen, die im Zusammenhang mit der Kritik an den Sommerspielen inhaftiert und zum Teil auch zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Außerdem müsste beispielsweise die Forderung kommen, dass sich neben den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten auch die der chinesischen verbessern. Da herrscht weiter generelle Medien-Zensur.

Auch bei Amnesty International ruft man nicht zum Boykott der Spiele auf. Warum?

PLEITER: Die Olympia-Begeisterung in China ist groß. Es wird alles darangesetzt, perfekte Spiele zu organisieren. Das macht es für Menschenrechtsorganisationen nicht unbedingt einfach, ihre Anliegen zu thematisieren. Weil wir damit auch Gefahr laufen, von China in die Ecke des Spielverderbers gedrängt zu werden. Ein Boykott wäre generell das falsche Signal. Aber die Sport-Verbände müssten einen Zwischenweg suchen. Wir begrüßen sehr, dass der Deutsche Olympische Sportbund in seinem Positionspapier kritisch Stellung nimmt. Jetzt geht es auch darum, daraus Konsequenzen zu ziehen und den Einfluss geltend zu machen, den der DOSB mit Präsident Thomas Bach, dem IOC-Vize, hat. Man ist schließlich nicht nur Gast in Peking, sondern unmittelbar beteiligt.


Quelle: http://de.clearharmony.net/articles/200802/41793.html

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