Unauslöschliche Erinnerung

(Minghui.de) Eigentlich bin ich sehr vergesslich. Viele Dinge, die andere noch frisch in Erinnerung tragen, habe ich bereits vergessen, deswegen gelte ich als ein nicht nachtragender Mensch. Hier jedoch schreibe ich meine Erlebnisse im Gefängnis vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2002 nieder - sie sind für mich unvergesslich. Trotzdem sind sie weit entfernt von mir und leicht geworden, dennoch sind sie unauslöschlich. In diesem Moment geschehen diese Dinge immer noch - es hat nie aufgehört, dass sie geschehen.

Gemeinsam der Verfolgung widerstehen

Im Juli 2000 war ich 22 Jahre alt. Damals fuhr ich nach Peking, um meine Stimme gegen das erlittene Unrecht von Falun Gong zu erheben, und wurde daraufhin von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ins Gefängnis gebracht. Damals gab es in diesem Gefängnis nur eine Zelle für Frauen. Es befanden sich ca. 20 Frauen in der Zelle, darunter waren über zehn Falun Gong-Praktizierende. Das Alter der Falun Gong-Praktizierenden lag bei 20 bis über 60 Jahre; insgesamt drei Generationen. Manche waren von zu Hause abgeführt worden, andere von ihren Arbeitsstellen. Als man sie gefragt hatte, ob sie Falun Gong praktizieren würden, antworteten die meisten: „Ich praktiziere.” Das war der Grund, weshalb sie gefangen genommen wurden.

Im Untersuchungsgefängnis durften wir die Übungen nicht praktizieren. In der Haftzelle für Männer gab es einen Falun Gong-Praktizierenden, der an den Übungen festgehalten hatte. Daher wurde er mit einem Elektroknüppel attackiert, von Gefangenen geschlagen, mit Zigaretten verbrannt und mit Nadeln in die Finger gestochen. Zum Schluss gaben die bösartigen Polizisten auf und ließen ihn die Übungen praktizieren, das bedeutet, dass er eine reine Umgebung geschaffen hatte. Wir anderen Praktizierenden aber durften die Übungen weiterhin nicht praktizieren.

In der Frauenzelle befanden sich viele weibliche Praktizierende. Wenn die erste Praktizierende es wagte, die Übungen zu praktizieren, wurde sie gestoßen und geschlagen. Später kam eine zweite, eine dritte, eine vierte Praktizierende hinzu und wir machten die Übungen gemeinsam. Die Gefangenen konnten uns nicht mehr stoßen und schlagen; sie ärgerten sich, sprangen wild umher und schrieen. Nach einer Weile kamen die Polizisten. Sie legten uns, 7 oder 8 Praktizierenden, nacheinander Handschellen an, dadurch bildeten wir einen geschlossenen Kreis. Über 10 Tage lang blieben wir so aneinander gefesselt. In diesem Zeitraum waren wir bei jeder Bewegung behindert. Wenn eine Praktizierende aß und mit ihrer Hand das Essen zum Mund führte, musste sich die gefesselte Hand der anderen Praktizierenden mit bewegen. Wenn eine zur Toilette ging, mussten alle im Kreis gehen. Beim Schlafen konnten wir uns im Bett nicht ausstrecken. Jede versuchte, ihre eigenen Hände gerade zu halten, so dass die andere sich ein bisschen entlastet fühlte, und jede versuchte, unbewegt zu bleiben, damit man die anderen Praktizierenden nicht aufweckte. Damals war das Wetter sehr heiß. Es war schon unangenehm, unter diesen Umständen normal im Bett zu liegen - wir fühlten uns natürlich noch schlechter. Tagsüber tauschten wir uns aus und lernten gemeinsam das Fa auswendig. Nach über 10 Tagen wurden die Handschellen geöffnet. Danach praktizierten wir wieder die Übungen und wurden anschließend erneut aneinander gefesselt.

Einmal wurden wir gezwungen, auf dem Sportplatz im Laufen zu marschieren. Beim Laufen erkannten wir, dass wir uns dem Bösen nicht anpassen sollten. Nach einem kurzen Austausch setzten wir uns alle auf den Boden in einen Kreis und meditierten. Die Polizisten waren außer sich und es wurde ein Wachhund auf uns gehetzt. Die Polizistin sagte während dessen: „Ich lasse ihn euch beißen!” Damals hielt ich meine Augen geschlossen. Später erfuhr ich von den Praktizierenden, dass es ein sehr großer Polizeihund gewesen war, doch er kam nicht zu uns.

In jener Zeit träumte ich davon, dass wir in einer dunklen Nacht in einer Reihe gehen würden; es waren jeweils zwei Personen durch einen großen Ring miteinander verbunden. Wenn eine hinfiel, wurde sie sofort von der anderen hoch gezogen und ging weiter. In jener schweren Zeit ging ich mit den Mitpraktizierenden Arm in Arm und Schulter an Schulter. Wir überstanden die Härten und Qualen, keine gab der bösartigen Verfolgung nach.

Warum weinst du

In 1999 begann die Verfolgung von Falun Gong. Das lokale Untersuchungsgefängnis wurde ausgebaut, damit noch mehr Praktizierende eingesperrt werden konnten. Wenig später wurden wir in eines der neu erbauten Untersuchungsgefängnisse gebracht.

In dem neuen Untersuchungsgefängnis waren viele Einrichtungen sehr modern, das bedeutete noch mehr Unmenschlichkeit. In der Zelle waren Kameras eingerichtet, wodurch jede Handlung überwachbar war, sogar das Duschen und das Wechseln der Wäsche fand unter den Augen der Polizisten statt. Die Seite zum Flur bestand aus dunkelblauem Spezialglas. Man konnte nicht von innen nach außen schauen, jedoch von außen nach innen. Die so genannte Toilette war lediglich ca.1 m2 groß um eine Ecke, 20 cm höher als der Boden. Wenn wir die Toilette benutzten, konnte alles von außen beobachtet werden. Hier gab es keine Würde und kein Geheimnis, keine grundlegenden Menschenrechte. Jede Gefangene in der Zelle fühlte sich dem Ersticken nahe.

Natürlich wurde es schwieriger, die Übungen zu praktizieren. Als die Polizisten ihren Dienst antraten, schauten sie sich den Überwachungsfilm an. Wenn sie herausfanden, wer die Übungen praktiziert hatte, benutzten sie verschiedene Methoden, um diese Praktizierende zu quälen. Einmal wurden wir vier Praktizierenden auf einem Stahlstuhl gefesselt. Der Stahlstuhl ist ein Folterinstrument, indem Hände und Füße an dem Stuhl befestigt werden, es gibt eine runde Öffnung auf dem Sitzbrett zum Verrichten der Notdurft. Wenn man lange auf dem Stuhl sitzt, tut das Gesäß sehr weh, die Beine sind sehr stark geschwollen. Das Schlimmste war, nicht zur Toilette gehen zu dürfen. Wenn die Polizisten gute Laune hatten, öffneten sie die Handschellen einige Minuten am Tag, damit wir zur Toilette gehen konnten. Wenn sie keine gute Laune hatten, öffneten sie die Handschellen gar nicht. Ich erinnere mich daran, dass ich es einmal nicht mehr aushielt. Es kam kein Polizist, egal wie sehr wir sie riefen. Einige Praktizierende halfen mir. Sie zogen eine große Decke um mich. Eine Praktizierende, die ca. 60 Jahre alt war, nahm eine Waschschüssel und stellte sie unter meinen Stuhl. Mein damaliges Gefühl kann ich nicht mit Worten beschreiben. Wir wurden 11 Tage und Nächte lang gefesselt. Als wir von dem Stuhl befreit wurden, konnten wir schon nicht mehr gehen. Die Beine waren sehr stark angeschwollen. Die Gefangenen sagten, dass unsere Füße so dick wie Bärentatzen aussehen würden.

Natürlich konnte keinerlei Bedrohung uns daran hindern, die Übungen zu praktizieren. Die Polizistin war darüber so verärgert, dass sie sich eine bösartige Folter ausdachte. Jeden Morgen zu Beginn ihrer Arbeit schlug sie uns mit einem Gummiknüppel und kündigte drohend an: „Praktiziert ruhig! So werde ich euch jeden Tag schlagen, dadurch werden eure Arme nicht brechen und doch könnt ihr sie nicht hoch halten.” Der Gummiknüppel besteht aus einer Stahlstange, die rundherum mit Gummi überzogen ist. Nach den Schlägen blutet man nicht. Stattdessen werden dem Opfer innere Verletzungen zugefügt, die von außen nicht gleich zu sehen sind. Am schlimmsten Tag wurden wir alle geschlagen, einschließlich einer 60-jährigen alten Dame. Zwei ältere Praktizierende wurden auf die Brust und auf den Rücken geschlagen. Sie erlitten einen Kollaps, ihre Gesichter wurden bleich und sie mussten sich übergeben und bekamen Durchfall, sie konnten nicht mehr stehen. Bei jedem Schlag wurde ich auch gefragt: „Willst du immer noch praktizieren?” Mittendrin wurde diese Polizistin plötzlich von jemandem gerufen und sie ging fort. Als sie zurückkehrte, hatte sie vergessen, den Gummiknüppel mitzubringen und so schickte sie eine Gefangene, um ihn zu holen, aber die Gefangene konnte ihn nicht finden. Dann nahm die Polizistin einen Besen und schlug mich so heftig damit, bis der Besen ganz kaputt ging, danach machte sie Feierabend. Eine Gefangene zog mich zu sich und schaute auf das Blut, das durch mein weißes T-Shirt sickerte. Sie umarmte mich und weinte. An jenem Tag weinten alle Gefangenen in der Zelle. Wir vier Frauen konnten nichts essen; die anderen litten mit uns und konnten auch nichts essen. Nach zwei Tagen waren unsere geschlagenen Arme schwarz. Manche Gefangenen sagten zu mir: „Du siehst aus wie ein schwaches Mädchen und sprichst nie laut, aber beim Schlagen zeigst du dich stark und hältst die Brust und den Rücken aufrecht.

Jene bösartige Umgebung kann man sich nicht vorstellen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Jeden Tag hörten wir Stimmen, die uns beschimpften und die Schläge der Polizisten, das Knallen der Elektroknüppel mit blauen Funken und sogar das Wehklagen der geschlagenen Gefangenen.

Einmal, früh am Morgen, kam mein menschliches Herz hervor und ich dachte, wann es endlich zu Ende sein würde. Dann legte ich mich auf das Bett und weinte. Ich spürte, dass sich jemand auf das Bett setzte und mich anschaute. Dann sah ich eine Gefangene. Sie brannte sich mit einer Zigarette eine große Blase auf ihren Arm. Es sah sehr schrecklich aus. Ich fragte sie: „Warum tust du das?” Ihr Kopf sank nach unten; sie antwortete nicht. Nach einer langen Weile fragte sie mich zurück: „Warum weinst du denn?” Erst da wurde mir klar, dass sie sich selbst verletzte, um die Schmerzen in ihrem Herzen zu verringern.

Neulich hörte ich Mitpraktizierende von ihren Erlebnissen in Gefängnissen berichten und so schrieb ich alles aus meiner Erinnerung auf. An manche Dinge kann ich mich vielleicht nicht mehr erinnern. Acht oder neun Jahre sind bis jetzt vergangen und ich habe selten darüber gesprochen. In der Geschichte jedoch bleibt es für immer unvergessen.