Traditionelle Chinesische Kultur: Höflichkeit (Teil I)

(Minghui.org) Zhou Gong war ein berühmter Weiser der frühen Zhou-Dynastie. Eines Tages besuchte ihn sein Sohn Boqin.

Zu Boqins Überraschung versetzte Zhou Gong ihm einen Schlag.

An einem anderen Tag besuchte Boqin seinen Vater wieder, nur um auf dieselbe Weise begrüßt zu werden. Dies geschah noch ein drittes Mal. Verwundert suchte Boqin Rat bei einem anderen Weisen Namens Shangzi bezüglich seiner Situation.

Als Boqin das nächste Mal seinen Vater besuchte, sank er sogleich auf die Knie – etwas, das er die drei Male zuvor versäumt hatte, um seinem Vater angemessenen Respekt zu zollen. Zhou Gong war erfreut und lobte Boqin dafür, dass er sich von einem Mann mit dem nötigen Urteilsvermögen hatte beraten lassen.

Höflichkeit und Gesellschaft

Warum war Höflichkeit im Altertum so wichtig?

Konfuzius sagte einmal: „Die Tradition der Höflichkeit wurde den Ahnen von Gottheiten verliehen. Sie verkörpert das Gesetz des Himmels, was der Gesellschaft Ordnung bringt. Jene, welche sie verlieren, werden ihre Zukunft verlieren und jene, welche sie bewahren, werden gedeihen.“

Das Buch der Lieder, Shi Jing, ist eine Sammlung klassischer chinesischer Gedichte. Eines der Gedichte beschreibt Folgendes:

„Ordnung kann im Körper einer Maus gefunden werden, wie kann also ein Mensch in Zügellosigkeit leben? Wenn ein Mensch keine Höflichkeit zeigt, wird er sein eigenes Ende heraufbeschwören.“

In Wirklichkeit haben wir dieses Muster durch die Geschichte hindurch beobachtet. Wenn die Menschen in der Gesellschaft höflich sind, ist dies oft in Zeiten des Friedens; wenn Menschen sich gegenseitig rücksichtslos behandeln, befindet sich die Gesellschaft oft in einer Abwärtsspirale.

Das ist so, weil Höflichkeit eng mit dem etwas Größerem, nämlich der Moral einer Gesellschaft in Beziehung steht. Eine höfliche Gesellschaft weist darauf hin, dass die Menschen willens sind, ihre Eigeninteressen zugunsten ihrer gesellschaftlichen Rolle und Pflicht zur Seite zu schieben. Dieses Verantwortungsbewusstsein ebnet dann den Weg für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand. Eine unhöfliche Gesellschaft hingegen weist darauf hin, dass die Menschen einander nicht respektieren und sich nur um ihre eigenen Interessen kümmern, was zu Gesetzlosigkeit, Chaos und Verderbnis führt.

In der traditionellen chinesischen Kultur waren für jede soziale Beziehung die Gesetze der Höflichkeit klar definiert. Eltern behandelten ihre Kinder mit Güte, während die Kinder ihren Eltern gegenüber Respekt zeigten. Ältere Geschwister wertschätzten und beschützten ihre Jüngeren, während die Jüngeren sich in Anwesenheit der Älteren bescheiden verhielten. Ein Ehemann war seiner Frau treu, während eine Ehefrau sittsam war. Die Älteren kümmerten sich um die Jüngeren und die Jüngeren respektierten die Älteren. Nicht zu vergessen: Ein Kaiser sollte wohlwollend und seine Untertanen loyal sein.

Ein weiser Lehrer

Zhou Gong, auch Herzog von Zhou genannt, war der vierte Sohn von König Wen von Zhou. Er half seinem älteren Bruder, dem König von Wu, die Zhou-Dynastie zu gründen. Er etablierte die Riten von Zhou, klassische chinesische Musik und wurde als einer der Begründer des Konfuzianismus betrachtet.

Zudem schrieb Zhou Gong Lehren, um seinen Neffen König Cheng, den Sohn von König Wu und seinen eigenen Sohn Boqin zu unterrichten. Spätere Generationen verehrten sowohl König Cheng wie auch Boqin. Auch Cao Cao, ein Herrscher der späten Han-Dynastie, bewunderte, wie Zhou Gong die Menschen respektierte und deren Vertrauen gewann.

In „Warnungen für König Cheng“ betonte Zhou Gong die Wichtigkeit von Tugend in allen Lebensbereichen, vom Beherrschen eines Landes bis zum Charakter eines Menschen. Das Folgende ist eine Anekdote, die in Zhou Gongs Schriften dokumentiert ist:

„Einmal, als König Cheng noch jung war, stand er mit seinem jüngeren Bruder unter einem Baum. In einer Hand hielt er ein Blatt und übergab es seinem Bruder und sagte: ,Ich gewähre dir einen Titel.‘

Zhou Gong grüßte den jungen König.

,Es ist wundervoll, dass Ihre Majestät Eurem Bruder einen Titel verliehen hat.‘

,Aber ich habe nur Spaß gemacht‘, antwortete König Cheng.

,Schlechtes Benehmen gehört nicht zu einem König. Er steht zu jedem Wort, das er sagt‘, entgegnete Zhou Gong.“

König Cheng gewährte also seinem Bruder den Titel eines Marquis. Unter konsequenter Anleitung von Zhou Gong läuteten König Cheng und sein Sohn König Kang das goldene Zeitalter der Zhou-Dynastie ein, welches die Herrschaft von Cheng und Kang genannt wird.

Zhou Gongs Schriften für seinen Sohn Boqin entstanden, als König Cheng Boqin die Herrschaft über das Land Lu gewährte, das 500 Jahre später zum Geburtsort von Konfuzius wurde. Bevor Boqin nach Lu aufbrach, schrieb Zhou Gong:

„Bitte erinnere dich daran, nicht arrogant oder voller Verachtung zu sein, bloß weil du Herrscher von Lu bist. Als König Wens Sohn, König Wus Bruder, König Chengs Onkel und Kanzler von Zhou war mein Rang schon hoch. Aber es gab Zeiten, in denen ich währender einer Dusche oder währender einer Mahlzeit 3-mal innehalten musste, um darüber nachzudenken, wie oft mich meine Unnahbarkeit großartige Männer gekostet hatte.

Von dem, was ich gehört habe, werden jene, welche sowohl tugendhaft als auch höflich sind, mit Wohlstand gesegnet werden; jene mit reichlich Land und hart arbeitendem Mut werden in Sicherheit sein; jene von hohem Rang, welche bescheiden bleiben, werden ihre Titel behalten; jene, welche vom Volk und von starken Armeen unterstützt werden, werden siegreich sein; jene mit Intelligenz, die jedoch einfach erscheinen, sind weise; jene mit Einsicht und Wissen, die jedoch noch immer annehmen, dass sie wenig wissen, sind wahrlich weise. Diese sechs Qualitäten stehen alle in Bezug zur Demut. Selbst das Vermögen eines Königs, welches Länder und Meere umfasst, entspringt der Demut.

Ohne Demut würde man die Nation und sogar das eigene Leben verlieren. Jie, der letzte König der Xia-Dynastie und Zhou, der letzte König der Shang-Dynastie sind solche Beispiele.“

Boqin nahm sich seines Vaters Rat zu Herzen und schuf im Land Lu eine wohlhabende und höfliche Gesellschaft.

(Fortsetzung folgt)