20 Jahre Verfolgung – die Geschichte einer zerstörten Familie (Teil IV)

(Minghui.org)

Teil ITeil IITeil III

Schicksalsschlag nach der Freilassung

Bis zum Tag ihrer Freilassung wusste Jiang Tao nichts vom Tod ihres Mannes. Bevor ihre dreijährige Haftstrafe Anfang 2020 auslief, hatte sie mehrmals bei ihrem Mann angerufen. Erfolglos, ihre Anrufe landeten direkt auf der Mailbox. Das kam Jiang merkwürdig vor. Sie dachte, dass ihr Mann sein Handy ausgeschaltet habe. Nach mehreren Versuchen wurde sie unruhig. Schließlich handelte es sich um das Diensthandy ihres Mannes, das er üblicherweise nie ausschaltete. Warum konnte sie ihn nicht erreichen? Jiang machte sich Sorgen und hatte ein ungutes Gefühl.

Am frühen Morgen von Jiangs Freilassung trafen sich Beamte des Komitees für Politik und Recht der Stadt, Mitarbeiter des Justizministeriums, Agenten des Büros 610 und Vertreter der Frauenvereinigung Dongge. Dabei hörte Jiang zufällig, wie Guo Yucheng, ein Agent des Büros 610 sagte: „Sie hat niemanden zu Hause.“ Jiang wurde schwarz vor Augen. ‚Was soll das bedeuten? Was hat er gesagt?‘, dachte sie. Als ihr Bruder mit seiner Frau sie von dem Gefängnis abholte und Jiang Fragen stellte, schwiegen die beiden.

Erst um Mitternacht erfuhr sie, dass sich ihr Mann während der chinesischen Neujahrsfeiertage am 28. Januar erhängt hatte. Ihr Sohn war wieder für drei Monate in eine Nervenklinik eingewiesen worden, weil er einen Rückfall erlitten hatte. Eine schlechte Nachricht folgte der anderen. Jiang konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Zwei Tage lang fand sie keinen Schlaf. Vom ständigen Weinen brannten ihr die Augen.

Die erste Nacht blieb Jiang bei einem Verwandten. Am nächsten Tag erhielt sie von einem Beamten der Sicherheitsabteilung der Polizei Guozhuang, Liu Jie, den Schlüssel zu ihrer Wohnung. Sie öffnete die Tür und betrat das inzwischen verwahrloste einstige Heim – und wurde von tiefer Trauer überwältigt. Jiang zitterte, Tränen liefen ihr übers Gesicht.

Probleme beim Einwohnermeldeamt

Jiang ging zur Polizeistation Dongge in der Yunxia Street, um sich als Einwohnerin anzumelden. Eine Beamtin namens Tao fragte Jiang: „Erkennen Sie mich nicht? Ich war für Sie im Umerziehungslager [1]. Nach all diesen Jahren muss ich mich immer noch mit Ihnen beschäftigen.“ Dann brachte sie Jiang zum Einwohnermeldeamt im Erdgeschoss.

Ein Polizist klappte seinen Laptop auf und fragte die Praktizierende: „Welcher Teil Ihres Urteils entsprach nicht der Wahrheit?“ Dann fragte er, ob sie noch Falun Dafa praktiziere. Als Jiang nicht antwortete, sagte ein anderer Polizist: „Wenn Sie es tun, sagen Sie einfach ja; wenn nicht, sagen Sie nein. Ganz einfach. Wir wollen es hören.“ Dann brachte man die Praktizierende zu Tao zurück. Diese fragte Jiang, warum ihre Adresse von der in ihrem alten Ausweis abweichen würde und ob sie sich habe scheiden lassen.

Jiang sagte: „Ich bin hier, um meinen Wohnsitz anzumelden. Halten Sie sich einfach an den Ablauf und fragen Sie nicht nach anderen Dingen. Der Rest ist meine persönliche Angelegenheit.“ Ein Polizist erklärte, dass die Vorgesetzten sie angewiesen haben, diese Fragen zu stellen. Er ging hinaus, um zu telefonieren. Jiang sollte einige Dokumente unterschrieben haben, bis er wieder da sei. Als sie erkannte, dass die Beamten ihre Registrierung nicht weiterbearbeiten würden, entschloss sie sich zu gehen und griff nach der Türklinke. Blitzschnell eilten zwei Polizisten herbei und wollten sie aufhalten. Jiang öffnete mit aller Kraft die Tür, um das Gebäude zu verlassen.

Als sie wieder bei ihrem Verwandten war, rief ihre Schwägerin an. Diese wollte wissen, wann Jiang wieder in ihre Wohnung zurückkehren würde. Dabei erfuhr sie, dass Guo Yuchen vom Büro 610 und mehrere Polizisten bei ihrer Schwiegermutter aufgetaucht waren. Sie hatten sich erkundigt, warum Jiang nicht in ihrer Wohnung war. Die Beamten beleidigten die Praktizierende vor ihren Schwiegereltern, sodass ihre Schwiegermutter noch wütender auf Jiang wurde.

Keine Rente, kein Erbe

Während ihrer dreijährigen Haft hatte das Sozialamt Pingdu Jiangs Rente und vier Jahre Lohn einbehalten. Ein Teil des bereits gezahlten Lohnes für ein halbes Jahr war gepfändet worden. Der Restbetrag wurde vom Sterbegeld ihres Mannes abgezogen.

Jiang wandte sich an so ziemliche alle Personen, die mit ihrem Fall zu tun hatten: Li Jianghua von der Polizeidienststelle Guozhang, Liu Jie von der Sicherheitsabteilung Pingdu, Guo Yucheng vom Büro 610, Lu Pengkun vom Komitee für Politik und Recht, Zhang Zhengxia von der Staatsanwaltschaft, Li Yan vom Amtsgericht und Wang Zhonghu. Aber alle Beamten versuchten, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Schon bald nach ihrer Freilassung holte Jiang ihren Sohn Zhao Xiaodong aus der Nervenklinik. Da es ihm besser zu gehen schien, planten die beiden, ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Jiang hoffte, dass Zhao dadurch wieder auf die Beine kommen und vielleicht sogar eines Tages eine Familie gründen könne. Allerdings konnten die beiden das nötige Startkapital nicht aufbringen.

Alle Ersparnisse der Familie liefen auf den Namen von Jiangs Mann und ihre Schwiegermutter hatte die Kreditkarten. Als Jiang und ihr Sohn die Schwiegermutter besuchten, verweigerte sie die Herausgabe mit den Worten: „Agent Guo Yucheng [vom Büro 610] hat mir gesagt, dass ich sie dir nicht zurückgeben soll.“ Sie redete weiter und beschimpfte Jiang vor ihrem Sohn.

Als Jiang Lu Pengkun von der Staatsanwaltschaft Pingdu befragte, äußerte dieser: „Das ist unmöglich. Ist Guo Yucheng dumm? Er hat nicht das Recht, Ihrer Schwiegermutter zu sagen, was sie zu tun oder zu lassen hat. Ihre Schwiegermutter macht sich lächerlich.“

Dann suchte die Praktizierende Guo Yucheng vom Büro 610 auf. Sie wollte sich vergewissern, ob er ihrer Schwiegermutter die Anweisung gegeben hatte. Er leugnete nicht, sondern sagte: „Ich habe Ihrer Schwiegermutter gesagt, dass sie sie [die Kreditkarten] sicher für Sie aufbewahren soll.“ Als Jiang den Agenten fragte, warum er ihr am Tag der Freilassung nichts vom Tod ihres Mannes erzählt habe, antwortete er, dass er ihr das damals nicht sagen konnte. Auf die Frage, warum die Rente einbehalten wurde, äußerte Guo, dass die Sozialbehörde dafür zuständig sei.

Schließlich gab Jiangs Schwiegermutter der Praktizierenden die Kreditkarten zurück. Vorher hob sie jedoch mehrere hunderttausend Yuan von den Konten ab, so dass der Saldo nur gering war. Zudem beschimpfte die Schwiegermutter Jiang und den Begründer von Falun Dafa. Ihre feindselige Einstellung machte Jiangs Sohn große Sorgen. Nachdem er von seinen Großeltern zurückgekehrt war, blieb er die ganze Nacht lang wach und rauchte eine ganze Schachtel Zigaretten.

Seit dem Besuch der Schwiegereltern hatte Jiangs Sohn Zhao das Interesse an einem eigenen Unternehmen verloren. Er sprach nur noch selten mit seiner Mutter und wurde rückfällig. Als ein Freund Jiangs Sohn anrief und fragte, was er mache, schockierte Zhao alle mit seiner Antwort. Er sagte: „Ich lese Ausgewählte Werke von Mao Zedong.“ Sein Freund beendete das Gespräch und blockierte Zhao in den sozialen Netzwerken. Eines Morgens schlug Zhao seine Mutter, sodass sie am Kopf blutete.

(Ende)

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Provinz Shandong: Zwei Praktizierende rechtswidrig verurteilt

Zwanzig Jahre Verfolgung – Die Geschichte eines zerstörten Familienglücks (Teil I)

Zwanzig Jahre Verfolgung – Die Geschichte eines zerstörten Familienglücks (Teil II)


[1] Umerziehungslager: ein Programm mit dem Ziel, Falun-Dafa-Praktizierende von ihrem Glauben abzubringen. Sie werden einer intensiven Gehirnwäsche unterzogen, beschimpft, misshandelt und gefoltert