Der Moment, in dem sich mein Unmut verflüchtigte

(Minghui.org) Ich bin bald 60 Jahre alt und neige zu Ungeduld. Seit 23 Jahren kläre ich über die Verfolgung von Falun Dafa auf, hauptsächlich, indem ich Briefe verschicke. Manchmal bitte ich andere Praktizierende um Hilfe. Ich wusste nicht viel über meine Mitpraktizierende Lin, aber ihre zögerliche Art hatte meinen Unmut geweckt. Jedoch verwandelte sich dieser nach folgendem Erlebnis in Bewunderung.

2021 hatte unser hiesiges Postamt die Briefkästen entfernt und durch schmale Schlitze in einer Wand ersetzt. Drei Kameras wurden installiert, um die Menschen vor der Wand zu beobachten. Die Schlitze sind so eng, dass man höchstens zwei Briefe auf einmal einwerfen kann. Ein Postbediensteter erzählte mir, dass sie nun alle Briefe in die Provinzhauptstadt senden müssten und sie erst nach ihrer Rückkehr austragen dürften. Vor diesem Hintergrund stellte ich das Versenden der Briefe über dieses Postamt ein und intensivierte meinen Kontakt mit Lin.

Gewöhnlich schicke ich Briefe an Regierungsstellen, Strafverfolgungsbehörden, Gemeindeverwaltungen, Haftanstalten und Bildungseinrichtungen. Ich sende auch Informationsmaterialien an Praktizierende, die diese benötigen, sowie an die breite Öffentlichkeit. In den Briefen sind derzeit eine Seite mit Text über die aktuelle Situation sowie eine kleine Videokarte mit umfangreichem Inhalt enthalten.

Vor ein paar Tagen erzählte Lin mir, dass sie unterwegs sein werde, und fragte, ob ich Informationsmaterialien für sie vorbereiten könne. Rasch erledigte ich das und brachte die Sachen zu ihr. Da informierte sie mich darüber, dass sie aktuell doch noch nicht gehen werde. Das machte mich innerlich unruhig. Ich fürchtete, dass es wegen der Pandemie jederzeit zu einem erneuten Lockdown kommen könnte. Wenn Lin sich nicht direkt auf den Weg begab, würde sie die Chance dazu vielleicht verpassen. Aber sie blieb bei ihrer Meinung, dass keine besondere Eile bestehe.

Drei Tage später kam Lin zu mir geeilt, da sie dringend Informationsmaterialien brauchte. Sie schnappte sich das, was bei mir bereitlag, und bat mich, noch mehr zu drucken. Widerwillig druckte ich die Sachen aus und brachte sie zu Lin, die etwa fünf Kilometer entfernt wohnt. Als ich bei ihr ankam, war sie schon weg. Später schaute ich noch einmal bei ihr vorbei, aber sie war wieder nicht da. In mir wuchs die Ungeduld, aber ich begann auch, mir Sorgen um Lin zu machen. Als es mir dann gelang, sie anzutreffen, sagte sie mir, dass ab sofort eine andere Praktizierende das Versenden der Briefe übernehmen werde.

Wir machten uns zusammen auf den Weg zu der anderen Praktizierenden. Unterwegs berichtete ich Lin, dass ich dreimal bei ihr gewesen sei und wiederholt an der Tür geklingelt hätte. Ihre Familie so oft zu stören, hatte mich etwas in Verlegenheit gebracht. Und das hatte meinen Unmut verstärkt. Lin versicherte mir, dass es ihr Fehler gewesen sei und sie eine Weile auf mich hätte warten sollen.

Nachdem wir bei der anderen Praktizierenden eingetroffen waren, bereiteten wir bis Mitternacht hunderte von Umschlägen zum Versenden vor. Danach nahm mich Lin auf ihrem Fahrrad mit nach Hause, wobei sie die ganze Zeit lächelte.

Als ich sah, wie Lin mich mit annähernd 70 Jahren nach Hause fuhr, löste sich mein Unmut in Luft auf. Ohne große Worte zu machen, hatte sie die Dinge koordiniert und wegen meiner Ungeduld zusätzliche Schwierigkeiten ertragen. Ich hatte es nicht geschafft, mit der Situation so gelassen wie sie umzugehen. Als ich mich mit ihr verglich, schämte ich mich. Zukünftig werde ich lernen, besser zu kooperieren, geduldig zu sein und meine Anhaftungen loszulassen. Ich werde dem Meister helfen, noch mehr Menschen zu erretten.