[Deutsche Fa-Konferenz 2023] Über Verantwortung und Kultivierung

(Minghui.org)

Sehr geehrter Meister, liebe Freunde, seid gegrüßt!

Im Laufe der Jahre habe ich bei verschiedenen Projekten Aufgaben und Verantwortung übernommen. Immer wieder sind mir dabei bestimmte Lektionen begegnet. Und immer hat es bestimmte Gemeinsamkeiten gegeben. Ich erkenne mittlerweile deutlicher, welche Muster und welche grundlegenden Anhaftungen dahinter liegen. Es geht im folgenden Bericht um Verantwortung und Kultivierung. Und diese spielt sich hauptsächlich ab in den Projekten Shen Yun, Gan Jing World und als Mitglied des Dafa Vereins. Die Anforderungen sind stets gewachsen. Manchmal empfinde ich dies als Last, die unkontrollierbar, unvorhersehbar und gewaltig ist und mich erdrückt. Aber dann gibt es auch Zeiten, in denen einfach alles fließt und es sich wie eine Berufung anfühlt. 

Ich leide nicht an zu viel Freizeit, aber meine Arbeitsstelle ermöglicht es mir, meine Zeit sehr flexibel einzuteilen, um in diesen verschiedenen Projekten aktiv sein und Dinge bewerkstelligen zu können. Doch aktuell haben sich die Vorzeichen geändert und es kommen hier neue Anforderungen auf mich zu. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen und mir Gelegenheit zu geben, tiefergehende Erkenntnisse zu erhalten, um die Dinge, die ich zu tun habe, mit immer reinerem Herzen zu tun und nicht durch menschliche Anschauungen verunreinigt.

Gehen wir ein wenig zurück ins Jahr 2017. Da gab es, ausgelöst durch ein übertriebenes Pflichtgefühl, ein großes Sorgenproblem. Damals war es mein erster Kontakt mit der Buchhaltung für die Shen Yun Tour in Deutschland und verschiedene Organisationsarbeiten im Hintergrund. Gleichzeitig passte ich auf die Kinder von zwei Praktizierenden auf, die mit Shen Yun auf Tournee waren. Die meiste Zeit war ich also gar nicht zuhause, sondern in einer anderen Stadt.

Zum ersten Mal hatten wir mit Online-Werbung zu tun und viele Überraschungen in diesem Prozess bereiteten mir große Sorgen um unseren Cashflow. Gleichzeitig erreichten mich Meldungen, dass Flyer und das Personal für den Transport fehlten. Die normale Arbeit kam dann noch obendrauf.

In der Nacht hatte ich einen Traum, bei dem es darum ging, wie ich finanzielle Herausforderungen auf zwei Arten betrachten könnte. Die eine Art war locker und gelassen, aber dennoch nicht fahrlässig. Die andere Art war angespannter und im Traum spürbar schmerzhaft für den Körper, aber die Art und Weise war mir bereits bekannt und daher doch irgendwie näher. Ständig wechselte ich im Traum zwischen diesen beiden Perspektiven und konnte die körperlichen Unterschiede jeweils deutlich wahrnehmen.

Plötzlich wachte ich auf und schrie fast vor Schmerzen. Es fühlte sich an, als ob mein Hals abbrechen würde. Ich konnte mich nicht mehr aufrichten und die Arme nur bis zur Brusthöhe heben. Ich sandte aufrichtige Gedanken aus und bat Shifu um Hilfe. Die Schmerzen gingen aber nicht weg. Ich war nicht daheim, sondern passte auf die Kinder der beiden Praktizierenden auf, die gerade auf Tournee waren. Irgendwie schaffte ich es unter die Dusche, denn vielleicht würde ja ein heißer Wasserstrahl Linderung schaffen. Nach der Dusche versuchte ich mich wieder hinzusetzen, um erneut aufrichtige Gedanken auszusenden, doch die Schmerzen schienen übermächtig. Ständig rezitierte ich „Falun Dafa Hao“ und sagte mir, dass ich ein Dafa-Jünger sei. Ich wartete bis 5 Uhr morgens und rief dann eine Praktizierende an, die Ärztin ist. Nach kurzem Austausch erstellte sie eine Ferndiagnose: Akuter Schiefhals – so etwas wie Hexenschuss, nur im Halswirbelbereich. Die Behandlung: Stress vermeiden, viel Ruhe und viel Wärme.

Es war sonnenklar, dass ich eine Lektion im Loslassen und Leichtnehmen bekam. Aber es gab auch eine Angst, dass dies eine riesige Störung war, denn wenn die Kinderbetreuung nicht sichergestellt war, wie sollten die beiden Eltern der Kinder sich auf ihre Auftritte auf der Tournee konzentrieren? Noch eine Sorge obendrauf … 

Der Meister schreibt in dem Jingwen „Vertiefendes Verständnis“ in Essentielles für weitere Fortschritte I:

„Ist euch klar, dass ich, solange ihr Kultivierende seid, in jeder Umgebung und unter allen Umständen jede Trübsal und unerfreuliche Angelegenheit, die euch begegnet – auch wenn sie mit der Arbeit für Dafa verbunden ist, oder egal, wie gut und heilig ihr sie auch findet –, dazu nutzen werde, eure Anhaftungen zu beseitigen und eure Dämon-Natur freizulegen, damit diese beseitigt wird? Denn eure Erhöhung ist das Wichtigste.“ (Vertiefendes Verständnis, 09.09.1996, in: Essentielles für weitere Fortschritte I)

Durch meine körperliche Verfassung war ich gezwungen, alles loszulassen und dem Meister  blind zu vertrauen. Meine nächsten Schritte waren, Prioritäten festzulegen: Das hieß, zunächst die Kinderbetreuung sicherzustellen. Da half mir eine Mitpraktizierende am Nachmittag. Den für den Tag geplanten Transport von Flyern musste ich absagen, aber unversehens sprang jemand anderes dafür ein. Meine Arbeitskollegen hatte ich informiert, dass ich voraussichtlich zwei Tage nicht arbeitsfähig sei und die Arbeit warten müsse. So etwas schien mir vorher unvorstellbar, aber nachdem ich das ausgesprochen hatte, waren die Gedanken an die Arbeit auch weit weg. Blieb noch, den Cashflow für die Online-Werbung für Shen Yun sicherzustellen. Mit einem Kollegen, der auch Praktizierender ist, organisierten wir kurzfristig ein Darlehen, das schnell wieder zurückgezahlt werden konnte. Alles war geregelt, die Kinder in der Schule und im Kindergarten und es war gerade erst mal 9:00 Uhr. Erst jetzt beim Schreiben des Berichts erkenne ich, dass der Meister doch alles schon gut arrangiert und sich gekümmert hatte. Mit gebeugtem Rücken und verdrehtem Hals konnte ich nun im Schneckentempo zur nächsten Apotheke, um mir Wärmepflaster und Wärmflasche für den Rücken zu holen. Die Schmerzen waren noch sehr stark, aber die Verkrampfung im Geist ließ schon sehr nach. Am nächsten Tag war schon Freitag und ich fuhr mit beiden Kindern zu mir nach Hause, wo meine Frau sie übernehmen konnte. Ein Spaziergang alleine im Wald half mir beim Entspannen. 

Vielleicht war ich etwas zu euphorisch gewesen, wie schnell es mir wieder besser ging, denn als ich am Tag darauf zurück nach Frankfurt fuhr, bekam ich heftige Zahnschmerzen und eine dicke Wange. Offensichtlich hatte ich nicht wirklich alles losgelassen und leichtgenommen. Wieder organisierte ich eine Kinderbetreuung, wickelte die wichtigsten Aufgaben schnell ab und suchte einen Praktizierenden auf, der Zahnarzt ist, dass er mich für den Shen Yun Einsatz bitte kurzzeitig in Stand bringen möge.

Die ganze Zeit über hatte ich ein Gefühl, dass wenn Shen Yun nicht erfolgreich veranstaltet werden könnte, dies einzig und allein mir und meinem Zustand zuzuschreiben wäre. Diese Gedanken waren unbewusst immer präsent und ich kam nicht auf die Idee, sie zu beseitigen. Mein Pflichtgefühl trieb mich an, immer tatenvoll zu sein, um Missstände abzuwenden. 

In dem Gedicht „Tatenlos” in Hong Yin I lehrt uns der Meister:

Kultivierung in drei Lehren, von tatenlos geredet,
Das Herz nicht recht, tatenvoll;
Absichtsvolle Wohltat, auch noch Tat,
Eigensinn beseitigt, wahrlich tatenlos."
(Tatenlos, 17.01.1993, in: HongYin I)

Steter Tropfen höhlt den Stein. Das Vertrauen in die Erkenntnisse war noch nicht stark genug und die Angst vor negativen Konsequenzen, wenn ich loslasse, zu groß. Denn ein Jahr später, 2018, wiederholte sich eine ähnliche Geschichte, allerdings mit einer Art Keuchhusten, der mich wochenlang nicht schlafen ließ und mir zeitweise die Stimme nahm. Eine Shen Yun Saison darauf gab es das Ganze mit Herzrasen und Schwindelanfällen.

Schlussendlich erkannte ich damals zwei Dinge: 

1.     Das ganze harte Arbeiten, der Fleiß, das Aushalten, das Übernehmen von Aufgaben und Verantwortung diente dem Zweck, dass ich mir die Barmherzigkeit von Shifu erkaufen wollte. Es gab die Anschauung, dass alle Wesen die barmherzige Errettung bedingungslos empfangen sollten, ich müsste sie mir jedoch erarbeiten … Auch heute spüre ich immer noch, dass diese Anschauung zeitweise auftaucht und mein Verhalten steuert.2.     Es bin nicht ich, der alles zu harmonisieren hat – der in Eigenverantwortung oder notfalls im Alleingang mit menschlichen Methodiken, Händen und Füßen, schwerem Herzen, langem Gesicht und grau vor Sorgen alles schaffen muss. Nein, es ist Dafa, das alles harmonisiert. 

Apropos schweres Herz und langes Gesicht. Meine Art, Projektarbeiten zu erledigen, hat auch viel Groll in mir wachsen lassen, warum andere nicht ebenfalls Verantwortung übernehmen, sondern meist nur unverbindlich bei Projekten helfen möchten. Manchmal haben Praktizierende auf mich den Eindruck gemacht, als ob sie ein Projekt oder eine Gruppe eher als eine Art Ersatzfamilie betrachten. Abgesehen davon, dass eine gehörige Portion Arroganz und Neid mit diesem Groll vermengt sind, hat er mich doch recht blind gemacht für das Verständnis meinen Mitpraktizierenden gegenüber. Ich habe das Verhalten von Praktizierenden meist vom Arbeitsergebnis her betrachtet und vergessen, dass sie auch im Prozess sind, sich zu kultivieren. Manchmal brauchten sie einfach Zeit oder nur Verständnis, weil sie sehr ernstzunehmende eigene Hindernisse hatten. Aber dann war ich nicht wirklich für sie da. Ein gefährlicher Nebeneffekt war zudem, dass ich verlernt hatte, die Zeit des gemeinsamen Lesens, Übens und den Austausch in der Gruppe wertzuschätzen. Ständig brannte mir unter den Nägeln, zum vermeintlich wichtigen Teil eines Treffens überzugehen – also zu der konkreten Arbeit für Dafa. Die frühere Freude an der Kultivierung wich einer gewissen Verbitterung und Schwere.

Nun, wie lassen sich ein schweres Herz und ein langes Gesicht kurieren? Manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dabei habe ich die Inspiration durch Shen Yun eigentlich ständig vor der Nase: Shen Yun erlöst Menschen mittels Tanz, Gesang und Musik. Alle Stücke haben ein glückliches Ende. Und diese frohe Botschaft, denke ich, lässt sich von allen Künstlern auch nur dann vermitteln, wenn sie dies tief verinnerlicht haben und wirklich leben. Freude aus dem Herzen heraus ist wirklich eine gewaltige Kraft  – das reine Gute, das nur das Beste für andere will.

Die Geschichten von Shen Yun erzählen oftmals von der Hilfsbereitschaft anderen gegenüber. Und wir wissen, dass dies ein Merkmal des neuen Kosmos ist, wenn der Meister uns lehrt, erst an die anderen zu denken. 

Eigentlich hatte ich dies schon sehr früh lernen dürfen, doch vielleicht war ich da nicht aufmerksam genug gewesen: Etwa einen Monat nachdem ich im Mai 2000 das Fa erhalten hatte, wollte ich einem Mitpraktizierenden in der Universität helfen, in Seminaren und Vorlesungen auf die Verfolgung aufmerksam zu machen und Unterschriften zu sammeln. Damals hatte ich sehr stark gestottert und große Angst, vor Menschen zu sprechen. Doch das musste ich gar nicht, denn ich sollte den Mitpraktizierenden bloß begleiten, die Petitionen verteilen und später wieder einsammeln.

Dazu konnte ich mich dann auch überwinden und ging mit in den ersten Hörsaal. In dem Moment wusste ich wirklich nicht, wie es dazu kam, aber plötzlich stand ich vor dem Rednerpult und der Mitpraktizierende stand abseits. Kurz dachte ich: „Du sollst an andere denken, nicht an deine Ängste. Da werden Menschen verfolgt, du musst denen helfen.“

Also fing ich von unserem Anliegen an zu erzählen und las den Text der Petition vor. Danach verteilten wir die Petitionen im Hörsaal. Während die unterschriebenen Listen wieder zurückkamen, realisierte ich, dass ich gerade in einem vollen Hörsaal – ohne jedes Stottern – flüssig einen Vortrag gehalten und auch noch Menschen bewegt hatte, ihre Unterschrift gegen die Verfolgung zu geben. Mir schlotterten die Knie und mir war auf einmal ganz schwindelig, aber eine riesige Blockade war auf einmal durchbrochen! Und ich durfte erkennen: Wenn ich etwas für andere tue, denke ich nicht so viel an eigene Nöte und Sorgen und habe mehr Kraft, etwas zu bewegen. So oft hat Shifu das Beste für mich arrangiert, um mich im Verständnis des Fa nach vorne zu bringen, und so wenig erkenne ich es und ganz viel werde ich vermutlich nie erfahren. Aber ich bin dem Meister unendlich dankbar!

Um die Projektarbeit und die Kultivierungsumgebung zu verbessern, werde ich meinen Mitpraktizierenden fortan ein unvoreingenommenes, offenes Ohr schenken, einen Blick für die Nöte anderer haben und einfach für sie da sein, ohne zu urteilen. Ich brauche auch keine Angst zu haben, dass dadurch Zeit vergeudet wird. Für mich selbst habe ich mir vorgenommen: Kultiviere die Freude, egal wie die Umstände sind. Sei frohen Mutes. Sei bereit, große Leiden zu ertragen. Sei entschlossen und habe die starke Willenskraft, dich großen Schwierigkeiten auszusetzen.

Mit diesen Vorzeichen bin ich sicher, werden wir alle schlussendlich der Verantwortung für unsere gemeinsame Mission gerecht werden.

Doch mit dem Erscheinen der Jingwen „Nimm Abstand von der Gefahr“ und „Die Kultivierung im Dafa ist ernsthaft“ sind nochmals andere Prozesse in mir ausgelöst worden. Abermals wurde der Groll aufgewirbelt: Groll und Widerwille auf gefühlt immense Anforderungen und Arbeitslast bei den Projekten und Unausgeglichenheit und Unverständnis anderen Praktizierenden gegenüber. Vom Thema her überhaupt nichts Neues. Aber die Intensität hatte andere Formen angenommen.

Parallel dazu haben sich, wie zu Beginn schon erwähnt, die Vorzeichen bei meiner beruflichen Situation geändert. Konkret heißt dies, dass die Finanzierung meiner Arbeitsstelle nicht mehr so funktioniert wie früher und ich andere Wege finden muss, dies sicherzustellen.

Und genau da bin ich wieder drauf und dran, in die Falle zu tappen und verführt, mit menschlichen Methoden alles unter einen Hut bringen zu wollen. Auf der menschlichen Ebene scheint dies momentan nicht vereinbar zu sein, also im selben Umfang in Projekten für Dafa tätig zu sein und gleichzeitig das nötige Einkommen zu sichern.

Mir ist bewusst, dass ich hier eine Gelegenheit erhalte, unter Beweis zu stellen, was ich in den vergangenen Jahren der Kultivierung erkannt habe, und es besser zu machen. Denn sehr viele Details meiner Situation sind fast identisch mit einigen größeren Prüfungen vor längerer Zeit.

In „Nimm Abstand von der Gefahr“ schreibt der Meister:

„Wenn man die Schwierigkeiten nicht bewältigen kann, beginnt man, sich über Dafa zu beschweren; es gibt dann sogar welche, die sich über den Meister beschweren. Es sind deine eigenen Probleme, der Meister schuldet dir nichts.“ (Nimm Abstand von der Gefahr, 31.08.2023)

Wie kann sich diese Beschwerdehaltung noch verkörpern? Im Widerwillen. Wenn mir etwas begegnet, was mir nicht passt, löse ich das damit verbundene Gefühl nicht auf und lasse es irgendwo im Hintergrund gewähren. Und das schlägt sehr aufs Gemüt und beeinträchtigt zwangsläufig die klare Sicht und ein zügiges Vorankommen. Wenn ich versuche, dies leicht zu nehmen und mich im Loslassen zu üben, dann habe ich die Weisheit, wie ich mich als ein Puzzle-Teilchen zu drehen habe, damit ich mit anderen Puzzle-Teilchen zusammenpasse, oder ich erkenne auch locker und gelassen, dass ich die ganze Zeit versuche, mich in ein falsches Puzzle-Bild reinzuzwängen. Also sollte ich lieber das passende Puzzle suchen gehen. Aber der Weg, weg von einem Puzzle zum anderen, sollte nicht zu schnell gewählt werden, denn das Sich-Drehen, um den richtigen Platz beim Puzzle zu finden, ist halt auch Kultivierung.

Weiter schreibt der Meister in „Nimm Abstand von der Gefahr“:

„Deshalb sage ich denjenigen unter euch, die sich nicht wirklich kultivieren und beim Nichtbestehen der Prüfungen nachtragend geworden sind, dass die Kultivierung darin besteht, sich selbst zu kultivieren.“ (ebd.)

Hierbei erinnere ich mich an eine Eigenart im deutschen Kulturraum, die mir in den Projekten oder im Austausch in den Gruppen öfter mal bei mir und vielen anderen auffällt. Und zwar: Wir haben das Kulturproblem, dass es uns wichtiger ist, eine Sache richtig zu erledigen, als die richtige Sache zu machen. Also eine Sache kann durchaus unwichtig, unnötig oder falsch sein, aber wir halten dran fest, sie dennoch zu machen, weil es sich eben so gehört, die Dinge richtig zu tun. Aber das nützt alles nichts, wenn es sich um die falsche Sache handelt. Also bei Projekten wird oftmals lange diskutiert oder schon fast basisdemokratisch oder fast sozialistisch in einer Gruppe besprochen, was noch besser gemacht werden sollte oder was alles falsch war. Es wird so lange darüber gesprochen und von allen Seiten beleuchtet, bis es quasi richtig da steht oder ein Bild, eine Idee des Richtigen entstanden ist. Aber wir sollten eher darauf bedacht sein, uns darauf zu fokussieren, das Richtige zu tun. Und das fällt oft schwer, denn man hat ja wirklich handfeste, gut begründete Argumente und Fakten vor sich liegen, die einem Recht geben. Wir dürfen natürlich nicht naiv und ignorant gegenüber Fehlern sein und sie immer wieder wiederholen. Aber der entscheidende Faktor ist hier die eigene Kultivierung. Und bei der Kultur der Richtigkeit ist das Loslassen und dem anderen von Herzen das Beste wünschen, also das aufrechte Wohlwollen, zielführender.

Das Jingwen „Nimm Abstand von der Gefahr“ endet mit den Worten:

„Werdet wahre Erleuchtete! Das erst ist das, was die Gottheiten als großartig betrachten!“ (ebd.)

Meine Erkenntnis dazu: Ich hänge zu sehr am Ergebnis bei einem Projekt, statt die eigene Kultivierung im Zentrum zu sehen. Shen Yun zeigt uns, wie man ein Projekt ultimativ wichtig nehmen kann, und trotzdem ist die Kultivierung die Basis bei allem und erst dadurch ist das Projekt erfolgreich.

Respekt gegenüber dem Meister und die Ernsthaftigkeit der Kultivierung sind die Basis von allem. Wenn dieser Respekt nicht da ist, droht eine Aussortierung. In dem Bemühen, in der gegenwärtigen Situation mein Raumfeld gründlich zu reinigen und Anhaftungen und Anschauungen über Bord zu werfen, hat das Fa mir einiges an Unterstützung und Ermutigung gegeben. Hier ein paar Beispiele:

Vor kurzem konnte ich mal wieder nachts nicht richtig schlafen und morgens wachte ich mit sehr heftigen Angstzuständen, ja schon Panikattacken auf. Es gab gar keine äußeren Anlässe, die so etwas auch nur im Geringsten hätten erklären können. Der ganze Körper schien biochemisch nur aus Adrenalin und Cortisol zu bestehen. Stress ohne Ende, Fluchtimpulse, Panik, Herzrasen. An guten Tagen war das Aufwachen so, als hätte ich an dem Tag Abschlussprüfungen in der Schule, ohne jede Vorwarnung oder Zeit dafür zu lernen. In einem solchen Zustand war es auch sehr schwer, sich auf das Lernen des Fa oder die Übungen zu konzentrieren. Dies dauerte mehrere Tage an. So etwas hatte ich früher schon öfter immer mal wieder erlebt. Aber diesmal hatte ich einfach keine Kraft und keinen Willen mehr, dagegen ankämpfen zu wollen. Als ich in Gedanken etwas entspannte, kam mir plötzlich die Erkenntnis: „Ständig habe ich diese Gedanken für meine eigenen gehalten. Aber ist das nicht genau das Gedankenkarma, von dem der Meister im Zhuan Falun spricht? Warum habe ich immer zugelassen, dass mich diese Sachen bewegen?“ Daraufhin ließen diese Gedanken nach und es kehrte wieder mehr Klarheit ein.

Ich überlegte: Waren das vielleicht verdrängte Ängste wegen der beruflichen Situation? Nein, das war es nicht. Es waren eher Versagensängste. Es war die Angst, Fehler zu machen oder wegen möglicher Fehler kritisiert zu werden oder andere zu enttäuschen, auf deren Meinung ich viel Wert lege. Stets dachte ich, dass ich keine Eitelkeit hätte und Ruhm oder Ruf keine meiner Probleme seien. Doch wenn ich nun gezwungen sein sollte, Arbeiten für Dafa wegen Erwerbsarbeit aufzugeben oder bestimmte Aufgaben abgeben zu müssen … Wie will ich damit umgehen? Will ich wieder dagegen ankämpfen und irgendwoher Kräfte mobilisieren, um mit diesen peinlichen, beschämenden Ängsten nicht konfrontiert zu werden, oder lasse ich das einfach los und gehe offen damit um?

Der Erkenntnisprozess dauert noch an. Aber je mehr ich hier klarer werde, desto tiefer erkenne ich die menschlichen Denkstrukturen und Verhaltensmuster in mir. Ich muss anerkennen, früher hatten diese Verhaltensmuster durchaus einen positiven Effekt. Sie trieben mich an, bestimmte Aufgaben zu erledigen, und ich konnte den Mut fassen, Verantwortung zu übernehmen. Doch es muss im Kern rein sein. Also kommt wieder der Prozess, der mir hier helfen soll, mich nach dem Maßstab des Fa auszurichten.

Apropos Maßstab: War mein Maßstab in all den Situationen, wo ich starken Widerwillen und Groll empfunden habe, nicht völlig verkehrt gewesen? Und ob! Um den Ruf zu wahren und Ängsten nicht zu begegnen, habe ich eher der Mehrheitsmeinung in Projekten oder Gruppen den Vorrang gegeben oder den Verständnissen von anderen Praktizierenden, auf deren Meinung ich viel Wert lege. Also getreu dem Motto: „Wenn sich das so gehört, dann mache ich das auch mal so … man will ja auch kooperieren.“ Wenn ich den Mut gehabt hätte, meinen eigenen Erkenntnissen aus dem Fa mehr zu vertrauen, also mehr dem eigenen Herzen gefolgt wäre, wie hätte es denn dann ausgesehen? Ich bin ziemlich sicher, dass lediglich die Art und Weise, wie ich die Dinge getan hätte, leicht anders gewesen wäre. Das schlussendliche Ergebnis wäre vermutlich ähnlich oder sogar besser gewesen, weil ich aus reinem Herzen gehandelt hätte. Denn wie ich doch eigentlich erkannt habe, ist doch das Fa bei uns und harmonisiert alles.

Verstärkt wurde diese Erkenntnis beim gemeinsamen Fa-Lernen. Für gewöhnlich sehe ich nichts mit dem Himmelsauge, aber plötzlich hatte ich in mir ein sehr deutliches Bild einer Blume. Rings herum war alles düster, als ob ein böses Unwetter heraufzieht. Die Blume blühte noch nicht, aber die Knospe strahlte schon wie eine Sonne. Auf der Knospe war eine Art schwarze Schale, mit der sich die Blume einerseits gegen feindliche Dinge von außen schützte, doch konnten sich die Blütenblätter so nicht entfalten. Auf einmal wusste ich: Das bin ich! Aber ich habe einen Selbstschutzmechanismus und traue mich gar nicht, mich so zu entfalten, wie es das Fa in mir schon längst angelegt hat. Dieses Bild hat mir eine Menge Zuversicht gegeben, dass es schon in Ordnung ist, wenn ich die Dinge so regele, wie ich selbst verstanden habe. Ich muss nicht immer skeptisch sein, ob ich was auf die deutsche Art richtig mache oder nicht. Das Fa ist doch da und ich bin darin verwurzelt. Ich kann es ganz entspannt sich entfalten lassen. Während des Entfaltens wird vielleicht ein wenig Karma weggesprengt, was unangenehm ist, aber das gehört dazu.

Für die letzten Wochen und Monate bin ich trotz all ihrer Turbulenzen sehr dankbar. Ich habe erkennen können, welche Fesseln mich noch hier halten, wie ich diese allmählich loslassen und wie ich meine Verantwortung erfüllen kann.

Bevor ich mit einem Gedicht aus Hong Yin IV ende, möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und freue mich auf eure Rückmeldungen und Anregungen.

Dich von den Fesseln befreien

Glück ist der Herzenswunsch des MenschenUnglück uns stets begleitetEgal wie stark du zu sein scheinstEgal wie du Fähigkeit mit Bescheidenheit vereinstDas Schicksal nimmt dich nicht wichtigLass niemals Groll entfaltenBewahre deine GüteDein wahrer Wunsch und die Sehnsucht, mit der du einst kamst, hast du vergessenMöge der Klang meines Liedes der Schlüssel zur Öffnung deines Herzens seinMöge der Klang meines Liedes dich von den Fesseln befreien(Dich von den Fesseln befreien, 2009, in: Hong Yin IV)

Danke, Meister! Danke euch allen.