Komplizenschaft von Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen – Erkenntnisse aus einer Podiumsdiskussion

(Minghui.org) Das Corporate Accountability Lab [1] organisierte im November 2023 eine umfassende Veranstaltung mit einer zweiteiligen Podiumsdiskussion mit dem Ziel, die aufkommenden Trends bei Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Unternehmensverantwortung zu analysieren. Dieses zentrale Forum bot Menschenrechtsaktivisten und Juristen eine Plattform zum Austausch von Erkenntnissen über das dynamische Zusammenspiel zwischen globalen Unternehmenspraktiken und der Durchsetzung von Menschenrechten.

Die Überlegungen konzentrierten sich auf die Entwicklung rechtlicher Strategien, die Unternehmen für ihre Wirkung auf Menschenrechte und Umwelt zur Rechenschaft ziehen und ein tiefgreifendes Verständnis der komplexen rechtlichen Herausforderungen und Fortschritte in diesem Bereich fördern. Diese Expertenversammlung hob bedeutende Rechtsstreitigkeiten und wegweisende Urteile hervor und diente als kritischer Prüfstein für Fachleute, die sich für Gerechtigkeit im Bereich der Rechenschaftspflicht von Unternehmen einsetzen.

Der Fall Doe I gegen Cisco Systems, Inc. wurde von der Human Rights Law Foundation, Washington, D.C., (hauptsächlich) mit Unterstützung von Schonbrun DeSimone Seplow Harris & Hoffman, LLP, Venice, Kalifornien, eingereicht und verhandelt. Er war einer der Fälle, die aufgrund ihrer Beweiskraft zur Überprüfung ausgewählt wurden.

Die Human Rights Law Foundation ist eine Organisation, die sich darauf konzentriert, das Recht zu nutzen, um chinesische Dissidenten vor Folter und anderen ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Sie ist bekannt dafür, dass sie komplexe Fälle einreicht und durchsetzt. Dazu gehören Doe v. Liu Qi, 349 F. Supp. 2d 1258 (N.D. Cal. 2004); Jingrong et al., v. CACWA et al., 311 F.Supp.3d 514 (2018) sowie in Spanien Fälle tibetischer Buddhisten.

Das Corporate Accountability Lab ist eine Organisation, die 2017 in den USA gegründet wurde und sich dafür einsetzt, das Recht zu nutzen, um Unternehmen für Verstöße gegen Menschenrechte und die Umwelt weltweit zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Podiumsdiskussionen

Die erste Podiumsdiskussion diskutierte

1. über den Fall Al Shimari v. CACI, eine Klage irakischer Folteropfer gegen Auftragnehmer der US-Regierung, und
2. Doe v. Cisco Systems, eine Klage von Falun-Gong-Praktizierenden gegen ein amerikanisches Technologieunternehmen.

Die zweite Podiumsdiskussion befasste sich mit
1. Dem Fall Ratha v. Phatthana Seafood, einer Klage wegen Menschenhandels im Auftrag kambodschanischer Staatsangehöriger gegen thailändische und amerikanische Unternehmen, die in der Fischindustrie tätig sind, und
2. Doe v. ExxonMobil, einer Klage indonesischer Staatsangehöriger gegen eine amerikanische Ölgesellschaft und ihre Tochtergesellschaften.
Während der ersten Podiumsdiskussion beschrieb die Rechtsberaterin im Fall gegen Cisco, Terri Marsh, dass der Fall von mehreren Falun-Gong-Praktizierenden angestrengt wurde, die in China durch die Mithilfe von Cisco willkürlich inhaftiert, gefoltert und zwangskonvertiert wurden. Frau Marsh unterstrich die Aussagen der Kläger, dass China die Hilfe westlicher Technologiefirmen gesucht habe, um ein Werkzeug zu schaffen und damit dann die Verfolgung von Falun Gong voranzutreiben. Cisco habe versprochen zu helfen. Es habe letztendlich mehrere komplexe technologische Elemente entworfen und entwickelt, die die Identifizierung, Festnahme und Zwangsbekehrung von Praktizierenden erleichterten.

Insbesondere stellte Frau Marsh fest:

– Der Fall wurde im Namen von dreizehn Falun-Gong-Praktizierenden vorgebracht, die von China identifiziert, festgenommen und gefoltert wurden, nachdem sie sich an Aktivitäten bezüglich Falun Gong im Internet beteiligt hatten, die von einem High-Tech-Überwachungsapparat namens „Goldener Schild“ erfasst wurden.
– Falun Gong ist eine Religion, die auf den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht basiert und in den 1990er Jahren in China entstand. Als die Religion an Popularität gewann, initiierte die Kommunistische Partei Chinas ein brutales Vorgehen mit dem Ziel, die Praktizierenden zu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören.
– In den 1990er Jahren suchte China die Unterstützung westlicher Technologieunternehmen beim Aufbau eines totalen Überwachungsapparates, da chinesischen Ingenieuren das entsprechende Know-how fehlte. Bei der Planung dieses „Golden Shield“-Projektes war den chinesischen Behörden klar, dass sie Ausstattungen benötigten, die das Vorgehen gegen Falun Gong erleichtern würde.
– Die Kläger behaupten, Cisco sei diesem Aufruf gefolgt und habe darin eine lukrative Geschäftsmöglichkeit gesehen, um auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. Zu diesem Zweck habe Cisco „einzigartige Elemente“ entworfen und entwickelt, die bei der Identifizierung, Festnahme und Folter von Falun-Gong-Gläubigen helfen sollten. Dazu gehörten:
– Eine Datenbibliothek mit Informationen über Internetaktivitäten von Falun-Gong-Praktizierenden, die umfangreiche Echtzeitwarnungen und automatisierte Überwachung ermöglichte
– Datenbanken mit detaillierten Persönlichkeitsprofilen von Praktizierenden, die den Beamten in den Haftanstalten und psychiatrischen Kliniken, in denen Falun-Gong-Praktizierende zwangskonvertiert werden, zugänglich sind 
– ein Produkt, das Cisco als das einzige Produkt bewarb, „das in der Lage ist, über 90 Prozent der Falun-Gong-Bildinformationen zu erkennen“.
– Die Kläger oder ihre Familienangehörigen wurden jeweils geschädigt, nachdem Cisco diese Funktionen für China entwickelt hatte. Drei der Kläger wurden beispielsweise im Rahmen derselben Ermittlungen im Jahr 2001 festgenommen. Während eines Scheinprozesses gegen eine dieser Personen stützte sich die Behörde für Öffentliche Sicherheit auf „Beweise“ für Falun-Gong-Internetaktivitäten, die über den „Goldenen Schild“ gesammelt wurden. Neben brutaler körperlicher Folter (z.B. Schocks mit Elektrostäben) nutzten die chinesischen Sicherheitskräfte auch persönliche Informationen, die aus dem „Goldenen Schild“ gesammelt wurden, und versuchten damit, die Kläger zu zwingen, ihren Glauben aufzugeben.

Paul Hoffman, ein weiterer Anwalt in diesem Fall, fasste die jüngste Stellungnahme des Berufungsgerichtes des neunten Bezirks zusammen. Hoffman wies darauf hin, dass das Gremium bestätigt habe, dass Ansprüche, die auf Beihilfe beruhen, nach dem Alien Tort Statute [2] zulässig sind. Es entschied, dass ein wesentliches Element des Standards für Beihilfe [zur Tat] und Anstiftung schon allein das Wissen sei, dass diese Unterstützung Missbrauch erleichtert. In Bezug auf die seit Langem bestehende Frage der Unternehmenshaftung erklärte Hoffman, dass das Gremium anerkannt habe, dass fünf Richter des US-Supreme Court der USA darin übereinstimmen würden, dass Unternehmen in solchen Fällen nicht immun gegen Klagen seien. Und Hoffman beschrieb, wie das Gremium mögliche außenpolitische Bedenken in der Klage abgewogen und schließlich festgestellt habe, dass es keinen Grund gebe, den Fall auf dieser Grundlage abzuweisen.

Mehrere Diskussionsteilnehmer betonten die Stärke der Beweise und lobten das Evidenzteam als eines der besten.

Zusammenfassung

In dieser entscheidenden Podiumsdiskussion, die vom Corporate Accountability Lab [1] im November 2023 veranstaltet wurde, kamen Rechtsexperten und Menschenrechtsaktivisten zusammen, um die jüngsten Entwicklungen in Rechtsstreitigkeiten über die Rechenschaftspflicht von Unternehmen zu analysieren. Ein besonderer Fokus lag auf dem bedeutenden Fall Doe I gegen Cisco Systems, Inc., wo das US-Berufungsgericht für den neunten Bezirk chinesischen Falun-Gong-Praktizierenden erlaubte, ihre Ansprüche gegen den amerikanischen Technologieriesen Cisco Systems unter dem Alien Tort Statute [2] geltend zu machen.

Diese Praktizierenden machten geltend, dass Cisco die chinesische Regierung bei Menschenrechtsverletzungen unterstützt und begünstigt habe, indem es Überwachungstechnologie entwickelt habe, mit der sie ins Visier genommen und verfolgt wurden. Das Urteil des Neunten Bezirksberufungsgerichtes stellte klar, dass US-Unternehmen im Rahmen des Alien Tort Statute [2] haftbar gemacht werden können, und schuf damit einen Präzedenzfall für die Verantwortlichkeit von Unternehmen. Die Podiumsdiskussion beleuchtete auch andere prominente Fälle und betonte die sich entwickelnde Rechtslandschaft, in der multinationale Unternehmen wegen ihrer Rolle bei Menschenrechtsverletzungen verstärkt unter die Lupe genommen werden.

Die Entscheidung des Neunten Bezirksberufungsgerichtes, die die Beihilfe zur Tat eher vom „Wissen“ abhängig sieht als vom „Vorsatz“, ist ein entscheidender Schritt, um den Opfern der Komplizenschaft von Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Da die Angeklagten eine erneute Anhörung als Ganzes und möglicherweise eine Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof anstreben, werden die Auswirkungen dieses Falles in den Foren des internationalen Rechts und der Unternehmensführung nachhallen.

Die Diskussionen auf dieser Podiumsdiskussion unterstreichen die anhaltende Mission der Human Resources Leaders [3], rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards gegen Fehlverhalten von Unternehmen weltweit anzuwenden.

Über den Fall Doe I gegen Cisco Systems, Inc.

Doe I v. Cisco Systems, Inc. ist ein bedeutender Rechtsfall, der sich mit Menschenrechtsfragen im Zusammenhang mit der Rolle von US-Unternehmen bei der Ermöglichung von Menschenrechtsverletzungen im Ausland befasst. In dieser Klage erhoben chinesische Falun-Gong-Praktizierende Ansprüche gegen Cisco Systems, Inc., ein bekanntes amerikanisches Technologieunternehmen. Die Kläger warfen Cisco vor, Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung gegen sie unterstützt zu haben.

In der Tat ist der Fall Doe I v. Cisco Systems, Inc. ein Meilenstein auf dem Gebiet der rechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und der Menschenrechte; er unterstreicht das komplexe Zusammenspiel zwischen internationalen Menschenrechtsnormen, Unternehmensmaßnahmen und US-amerikanischen Rechtsrahmen.

Im Juli 2023 traf das US-Bundesberufungsgericht für den 9. Bezirk eine wichtige Entscheidung in diesem Fall. Das Gericht entschied, dass chinesische Falun-Gong-Praktizierende wegen Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen gegen Cisco Systems klagen können. Diese Entscheidung ist besonders bemerkenswert wegen ihrer Auswirkungen auf das Alien Tort Statute [2].

Zu den wichtigsten Aspekten des Urteils gehören:

1. Unternehmenshaftung nach dem Alien Tort Statute (ATS): Das besagte Gericht stellte klar, dass US-Unternehmen nach dem ATS verklagt werden können. Diese Interpretation steht im Einklang mit der Position des Obersten Gerichtshofs im Fall Nestlé/USA, in dem implizit anerkannt wurde, dass US-Unternehmen geeignete Beklagte im Sinne dieses Gesetzes sind,

2. Beihilfe als Klagegrund: Das Gericht bestätigte, dass die „Beihilfe“ zu Menschenrechtsverletzungen als Verstoß gegen das Völkerrecht anerkannt ist und daher nach dem ATS einklagbar ist. Damit wird festgelegt, dass Unternehmen nicht nur für direkte Verstöße, sondern auch für die indirekte Erleichterung solcher Missbräuche zur Rechenschaft gezogen werden können,

3. Wissensstand für Beihilfe [zur Tat] und Anstiftung: Das neunte Bundesberufungsgericht hat für Beihilfe und Anstiftung den verständlicheren „Wissensstand“ anstelle von „Vorsatz“ zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass die Kenntnis eines Unternehmens von seiner Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen für eine Haftung ausreicht, die leichter zu beweisen ist als die vorsätzliche Beteiligung eines Unternehmens an solchen Verstößen,

4. Anwendung des ATS auf US-Klagen: Das Gericht entschied, dass für eine Beihilfe-Klage nach dem ATS die Handlungen, die eine wesentliche Unterstützung darstellen, größtenteils in den Vereinigten Staaten stattgefunden haben müssen, was bei Cisco der Fall war.

Wie geht es weiter im Fall Cisco?
Nach dem Gerichtsurteil vom Juli 2023 beantragten die Beklagten eine erneute Anhörung in dem Fall durch ein Gesamt-Gremium (alle Richter zusammen) des 9. Bundesberufungsgerichtes. Dieser Antrag ist noch anhängig. Falls der Antrag abgelehnt wird, haben die Beklagten noch die Möglichkeit, den US-Supreme-Court anzurufen, die Entscheidung des 9. Bezirksberufungsgerichtes zu überprüfen, bevor der Fall zur weiteren Verhandlung an das Bezirksgericht zurückgeht.

Der US-Supreme-Court hat dann mehrere Optionen: Er kann eine Überprüfung gewähren und alle offenen Fragen behandeln, die hier in zukünftigen Artikeln ausführlich dargestellt werden. Oder er kann den Antrag ablehnen. Wenn der Fall dann wieder vor das Bezirksgericht geht, wird die Entscheidung des 9. Bezirksberufungsgerichtes den Ausgang bestimmen.

Es wird erwartet, dass der Fall Cisco aufgrund seiner erheblichen Auswirkungen auf internationale Menschenrechtsnormen und die Rechenschaftspflicht von Unternehmen erhebliche Debatten, Berichterstattungen und öffentliches Interesse auslösen wird, insbesondere wenn sich der US-Supreme-Court damit befassen sollte. Dies dürfte auch die weltweite Aufmerksamkeit auf die Notlage der Falun-Gong-Praktizierenden lenken.


[1] Corporate Accountability –  ist ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, die als gemeinsame Grundlage eine am Gemeinwohl orientierte Unternehmensverantwortung fordern. 

[2] Der US-amerikanische Alien Tort Statute (etwa: Gesetz zur Regelung von ausländischen Ansprüchen, kurz ATS, legt fest, dass Ansprüche, die sich auf das US-amerikanische Zivilrecht stützen, vor US-amerikanischen Gerichten verhandelt und erklagt werden können, auch wenn die Beteiligten nicht US-amerikanischer Nationalität sind und die Ereignisse, die die Anspruchsgrundlage darstellen, nicht auf US-Boden stattgefunden haben.

[3] Human Resources Leaders ist eine Mitgliederorganisation für Führungskräfte im Personalwesen in Neuengland. Die über 250 Mitglieder repräsentieren einen Querschnitt aus öffentlichen und privaten Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Hochschulen und Beratungsunternehmen. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Führungskräfte und Fachleute der oberen Ebene darauf vorzubereiten, die geschäftlichen Herausforderungen von heute und morgen zu antizipieren und mit Bravour zu meistern.