Financial Times Deutschland, 07.07.2003: Hongkongs Bürger wehren sich erfolgreich gegen Sicherheitsgesetz
Nach Massenprotesten auf den Straßen Hongkongs hat die Stadtverwaltung ein umstrittenes Sicherheitsgesetz auf unbestimmte Zeit verschoben. Der chinesische Verwaltungschef der ehemaligen britischen Kolonie wurde geschwächt.
Die Entscheidung zum Rückzug des Gesetzes wurde nach einer Dringlichkeitssitzung des Chefverwalters Tung Chee-hwa am Montagmorgen bekannt gegeben. Ursprünglich sollte das Parlament das Gesetz am kommenden Mittwoch verabschieden.
Am vergangenen Dienstag hatten mehr als 500.000 Menschen gegen das Gesetz gegen "Landesverrat, Abspaltung, Aufwiegelung und Umsturz" demonstriert. Journalisten, die Katholische Kirche, die demokratischen Parteien, Menschenrechtsgruppen sowie die Anwaltskammer hatten starke Kritik am Gesetz geäußert. Auch die USA und Großbritannien hatten sich über eine mögliche Beschränkung demokratischer Freiheiten und Menschenrechten besorgt gezeigt.
Die Kundgebung war die größte in China seit 1989 als rund eine Million Menschen in Peking für mehr Demokratie demonstriert hatten. Damals wurden Proteste blutig niedergeschlagen.
Pekings Abgesandter isloliert
Die Kritiker erklärten am Montag, Verwaltungschef Tung habe damit die politische Kontrolle über Hongkong verloren. Noch am Samstag hatte Tung eine entschärfte Version des Gesetzes angekündigt. Unter anderem sollten eine Ermächtigung zum Verbot bestimmter Gruppen, polizeiliche Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung und Einschränkungen der Pressefreiheit zurückgenommen werden.
Tungs wichtigster Verbündeter, James Tien von der Liberalen Partei, hatte dem Regierungschef am Sonntag seine Unterstützung bei der Abstimmung versagt, weil dem Gesetz breite Zustimmung in der Öffentlichkeit fehle. "Das ist eine beispiellose politische Niederlage, die die Macht und das Ansehen von Tungs Regierung vernichtet hat", sagte der demokratische Abgeordnete Leun Yiu-Chung am Montag.
Tung sagte am Montag vor Journalisten, irgendwann müsse das Gesetz aber verabschiedet werden. Er rief zu Besonnenheit auf und erklärte, er wolle versuchen die Bedenken der Bevölkerung zu verstehen. Die Zentralregierung in Peking bezeichnete die ausländische Kritik an dem Gesetz als unangemessene Einmischung und forderte, das Gesetz wie vorgesehen zu verabschieden.
Der Erlass eines Staatsschutzgesetzes ist in der Verfassung von Hongkong vorgesehen, nach Auffassung von Kritikern versucht die Regierung jedoch, dabei weiter als notwendig zu gehen. Sie warfen Tung vor, Hongkongs Regierungssystem von "einem Land und zwei Systemen" zu verraten, das die westlich orientierten Bürgerrechte und einen lockeren Umgang mit dem Kapitalismus garantiere.
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