Zweimal wegen derselben Sache angeklagt – Dozentin ein Jahrzehnt inhaftiert – Teil IV

(Minghui.org) 

Fortsetzung von Teil III

Protest und Krankenhausaufenthalt

Aus Protest gegen die grausamen Misshandlungen befand sich Liu Ronghua etwa drei Viertel ihrer zweijährigen Haftzeit, die sie im Zwangsarbeitslager Masanjia verbringen musste, in einer Art Hungerstreik. Wegen ihres Protestes wurde ihre Haftzeit sogar verlängert. Zudem brachte man Liu mehrmals ins Krankenhaus von Masanjia. Zweimal war ihr Zustand derart kritisch, dass sie in die Zweite Universitätsklinik der Chinesischen Medizin Shengjing eingeliefert wurde.

Die Leitung und die Wärter des Zwangsarbeitslagers Masanjia hatten für Anfang 2001 ein Treffen geplant. Sie forderten die Gefangenen auf, Falun-Dafa-Praktizierende [1] bei diesem Treffen dazu zu bringen, über die Übungen oder den Besitz von Dafa-Schriften zu berichten. Liu bat andere Praktizierende, nicht an diesem Treffen teilzunehmen, und forderte ein Gespräch mit Abteilungsleiter Zhang. Als dieser nicht reagierte, trat Liu aus Protest in einen Hungerstreik.

Nach zwei Wochen war Liu so schwach, dass sie nicht mehr laufen konnte. Als sie zum zweiten Mal ohnmächtig wurde, brachte man sie ins Krankenhaus von Masanjia. Der Leiter der Klinik, der stellvertretende Direktor sowie der Leiter der Abteilung für Innere Medizin besprachen Lius kritischen Zustand. Da bei Liu schon vor dem Hungerstreik schwere Symptome von Herzproblemen aufgetreten waren, ging der Leiter für Innere Medizin davon aus, dass Liu nur noch zwei Tagen zu leben hätte, falls man sie nicht rechtzeitig behandelte.

Liu erzählte den Ärzten und Krankenschwestern, warum sie sich im Hungerstreik befand. Sie berichtete von der Folter aufgrund ihres standhaften Glaubens an Falun Dafa. Das Krankenhaus rief Zhang Jun, den Leiter der Abteilung Nr. 3 an. Er besuchte daraufhin die Praktizierende und log Liu an: „Wir geben unsere Bemühungen, Sie ‚umzuerziehen‘ auf und werden Sie nicht wieder auf dem großen Streckbett fesseln. Arbeiten Sie einfach mit den Ärzten zusammen, damit es Ihnen besser geht.“

Liu vertraute Zhangs Worten. Sie begann, wieder zu essen, und erholte sich allmählich. Als sie jedoch wieder im Arbeitslager ankam, rächte man sich an ihr und sie wurde wieder auf dem großen Streckbett gefoltert. Auf Lius Frage an Zhang: „Haben Sie mir im Krankenhaus nicht gesagt, dass sie mich nicht mehr auf das Streckbett legen?“, antwortete dieser: „Wie konnten Sie meinen Worten nur glauben?“ Darauf Liu: „Tuns Sie das, um ihre ‚Umerziehungsrate‘ zu erhöhen? Wie können Sie das Herz eines Menschen mit Gewalt verändern?“

Besuchsrecht verweigert

Während ihrer zwei Jahre in Masanjia durfte Liu keinerlei Besuche empfangen. Nicht ein einziges Mal hat sie ihre Familie gesehen. Sie durfte auch nicht anrufen oder Briefe schreiben. Ihre Kommunikation mit der Außenwelt war völlig abgeschnitten.

Lius Mann, Yi Baojun, kam fast jeden Monat nach Masanjia in der Hoffnung, seine Frau zu sehen. Obwohl er immer wieder enttäuscht wurde, tauchte er immer wieder auf – nur um den Wärtern zu zeigen, dass Lius Familie besorgt um ihr Wohl war.

Nach einer Weile suchte Lius Mann verschiedene Ebenen der lokalen Regierung auf: das Beschwerde- und Petitionsbüro, die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium. Er reichte Beschwerde ein und berichtete über die unmenschlichen Bedingungen in den Arbeitslagern und die menschenunwürdige Folter. Unter der Macht der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) vertreten diese Institutionen mittlerweile jedoch nicht mehr die Interessen des Volkes, sondern sind zu Werkzeugen der KPCh geworden.

Agenten des Büros 610 [2] in Dalian besichtigten das Zwangsarbeitslager Masanjia im Juni und Juli 2011. Als sie über die Leistungen des Arbeitslagers bezüglich der „Umerziehung“ von Falun-Dafa-Praktizierenden sprachen, wurde Liu als eine der wenigen Ausnahmen erwähnt, die sich trotz stetiger Bemühungen des Arbeitslagers nicht hatte umerziehen lassen. Mit ihrem Bildungsstand und ihrem Einfluss auf die inhaftierten Praktizierenden stach sie den Agenten ins Auge. Sie planten, Lius Haftzeit zu verlängern.

Nach zwei Jahren Zwangsarbeit zu Gefängnis verurteilt

Während ihres zweijährigen Aufenthalts in Masanjia gab Liu nie nach und verunsicherte damit die Agenten des Büros 610. Diese wollten die Praktizierende nicht so einfach davonkommen lassen und wählten ein Konzept, das eklatant gegen das Prinzip der „res judicata“ – des rechtskräftig ergangenen Urteils – verstieß. Üblicherweise darf, nachdem ein Gerichtsurteil Rechtskraft erlangt hat, die Entscheidung nicht beanstandet werden. In Lius Fall war das jedoch anders.

Ein Mitarbeiter der Bezirksstaatsanwaltschaft Zhongshang, Yi Bin, suchte Liu im Juli und August 2011 einige Male auf. Er sagte: „Ihr Fall ist noch nicht abgeschlossen.“ Liu war verwirrt. „Wofür waren dann diese zwei Jahre Zwangsarbeit?“, fragte sie. Yi Bin antwortete: „Das war nur, weil Sie in der Haftanstalt die Übungen gemacht haben.“

Einige Tage vor Ablauf der Haftzeit brachten Beamte der Polizeidirektion Zhongshan und der Polizeiwache Taoyuanjie Liu vom Zwangsarbeitslager Masanjia in die Haftanstalt Yaojia. Dort sperrte man sie in die Zelle Nummer 8-16.

Über 700 Tagen war Liu von ihrer Familie getrennt gewesen und hatte in dieser Zeit viel durchgemacht. Sie hatte sich schon darauf gefreut, wieder mit ihren Angehörigen vereint zu sein. Auch Lius Mann, ihr Sohn und ihre Eltern hatten sie vermisst.

Am 21. September sollte Lius zweijährige Haftzeit im Zwangsarbeitslager enden. Doch an diesem Tag erhielt ihre Familie einen Anruf vom Gemeindebüro. „Liu Ronghua wurde am 19. September von der Polizei der Polizeiwache Taoyuanjie abgeholt und befindet sich nun in der Haftanstalt Yaojia. Es wurde Haftbefehl gegen sie erlassen. Ihr droht ein Gerichtsverfahren und eine mögliche Gefängnisstrafe“, sagte man Lius Angehörigen.

Lius Eltern, beide Ende 70, fuhren zwischen der Polizeiwache Taoyuanjie sowie der Polizeidirektion Zhongshan und der dortigen Bezirksstaatsanwaltschaft und dem Beschwerde- und Petitionsbüro hin und her, um die Freilassung ihrer Tochter zu beantragen. Erfolglos.

Der Direktor der Polizeistation Taoyuanjie, Li Litian, und sein Stellvertreter Liu Yansong teilten Lius Eltern mit, dass der Fall der Polizeidirektion vorliege. Das Paar solle „nach Hause gehen und warten. Wir werden uns vor Gericht treffen“, hieß es.

Li Litian zeigte sich gegenüber Lius Eltern ablehnend und drohte damit, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht Liu zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilen würde, falls sie weiterhin auftauchen sollten. Der Polizeidirektor ließ sogar alle Stühle in der Lobby entfernen, sodass das betagte Paar im Stehen warten musste.

Lius Mutter weinte und fragte den Wärter: „Sie haben den Spruch ‚Im Dienste des Volkes‘ an Ihrer Wand hängen. Aber Ihr Direktor sagte mir, dass ich verschwinden soll. Sind wir nicht das Volk? Wenn Sie meine Tochter nicht verhaftet hätten, wäre ich gar nicht hier. Ich werde nirgendwohin gehen. Ich werde genau hier auf die Rückkehr meiner Tochter warten.“

Da es keine andere Möglichkeit für eine Beschwerde gab, wandte sich Lius Familie an die Öffentlichkeit. Sie schrieb offene Briefe und bat um Unterstützung und Hilfe – in der Hoffnung, dass die Menschen auf Lius Fall aufmerksam würden.

Offener Brief von Lius Vater

„Seit meine Tochter Liu Ronghua mit acht Jahren zur Schule kam, war sie eine ausgezeichnete Schülerin – von der Grundschule über die Mittelschule und die Hochschule bis hin zur Universität. Nach ihrem Abschluss wurde sie Lehrerin an der Ozean-Universität Dalian und unterrichtete viele Studenten, die einen großen Beitrag für das Land geleistet haben. Ihre [Lius] Artikel wurden in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht. Zu keiner Zeit hat sie jemandem Schaden zugefügt. Meine Frau und ich sind sehr stolz auf sie und freuen uns, dass unser Kind einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet“, schrieb Lius Vater in einem offenen Brief, in dem er ihre Freilassung forderte.

„Meine Tochter hat kein Verbrechen begangen. Nur weil Jiang Zemin sagte, dass Falun Dafa illegal sei, heißt das nicht, dass das tatsächlich stimmt. Ich bin überzeugt davon, dass Jiang ein Verbrechen begangen hat – er hat gegen das höchste Gesetz des Landes, die Verfassung, verstoßen.

Ich bin fast 80 Jahre alt und habe in meinem Leben viel gesehen. Ich habe die verschiedenen Kampagnen des kommunistischen Regimes miterlebt, darunter auch die Große Kulturrevolution und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Am Anfang stand jeweils eine Äußerung eines höheren Parteifunktionärs und das alles führte zu vielen Opfern und Leiden im Volk. Danach gab die Partei immer zu, dass ihr ein Fehler unterlaufen sei.

Was hat meine Tochter falsch gemacht? Alles, was sie je getan hat, war, nach den universellen Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht zu leben. Ist es falsch zu versuchen, ein guter Mensch zu sein? Durch Falun Dafa haben viele ihre Gesundheit wiedererlangt, was dem Land Unmengen an medizinischen Kosten erspart hat. Mit einem gesunden Körper können Praktizierende bei der Arbeit ihre Aufgaben besser erfüllen. Was ist schlecht daran?

Wenn die Fernsehsender und Zeitungen nicht lügen und Falun Dafa verleumden würden, müsste meine Tochter den Menschen nicht die Wahrheit über Dafa erzählen. Außerdem haben die Menschen das Recht auf Rede-, Presse-, Versammlungs-, Veranstaltungs- und Demonstrationsfreiheit. Welche Freiheit hat meine Tochter? Die Strafverfolgung verstößt gegen das Gesetz. Ich fordere Gerechtigkeit für meine Tochter. Sie hat nichts Falsches getan. Das Praktizieren von Falun Dafa verstößt gegen kein Gesetz.“

Lius 16-jähriger Sohn Tianxiao bittet um Unterstützung

Lius damals 16-jähriger Sohn, der zu jener Zeit ein Gymnasium besuchte, verfasste ebenfalls einen Brief und bat um Unterstützung bei der Befreiung seiner Mutter.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wie geht es Ihnen? Es war ein Schock, als ich erfuhr, dass meine Mutter wieder inhaftiert wurde. Mein Herz blutete, so als ob eine alte Narbe aufgerissen worden wäre. Meine Mutter ist Falun-Dafa-Praktizierende und immer ein guter Mensch gewesen. Sie ist eine wunderbare, liebevolle Mutter und ich bin so stolz auf sie.

Vor zehn Jahren wurde sie wegen ihres Glaubens zu einem Jahr Haft verurteilt. Ich verlor die liebevolle Fürsorge einer Mutter und meine Familie. Ich vermisse sie die ganze Zeit. Als sie in diesem Jahr aus dem Lager zurückkehrte, wog meine Mutter bei einer Größe von 1,60 Meter weniger als 36 Kilogramm. Wie ich höre, ist sie wieder abgemagert. Ich mache mir solche Sorgen um sie. Ich weiß nicht, wie es ihr geht.

Ich verstehe das nicht. Meine Mutter ist seit meinem sechsten Lebensjahr wegen ihres Glaubens zur Zielscheibe des Regimes geworden. Als einer, der seine Mutter seit der Grundschule nicht mehr um sich hat, frage ich: Können Sie sich vorstellen, wie gern ich sie wieder zurück in mein Leben haben möchte? Wenn ich andere Kinder mit ihrer Mutter sehe, tut mir das Herz weh.

Obwohl ich noch minderjährig bin, weiß ich sehr wohl, dass ein Bürger das Recht auf Religionsfreiheit hat. Ich habe das in der Schule gelernt – das ist der Titel eines Kapitels in meinem Politikbuch. Obwohl ich an einer Hand abzählen kann, wie oft ich meine Mutter in den vergangenen zehn Jahren gesehen habe, weiß ich, dass sie niemandem geschadet und gegen kein Gesetz verstoßen hat. Ganz gleich, was sie tut, sie ist kein schlechter Mensch.

All die gütigen und aufrichtigen Menschen da draußen: Ich glaube, dass Sie alle Kinder und Eltern haben. Sie wollen nicht zusehen, wie Ihre nahen Angehörigen inhaftiert und gefoltert werden, wenn Sie wissen, dass diese kein Verbrechen begangen haben. Ich hoffe, dass sie mir helfen und meine Mutter unterstützen, damit wir bald wieder vereint sind.“

(Fortsetzung folgt)

Frühere Berichte:

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[1] Falun Dafa, auch Falun Gong genannt, ist eine buddhistische Selbstkultivierungsmethode. Sie wurde von Meister Li Hongzhi im Jahr 1992 in China eingeführt und hat sich rasant verbreitet. Viele Menschen konnten durch die Angleichung an die Prinzipien dieser Praktik – Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht – ihre Moral und ihre Gesundheit verbessern. Praktizierende dieses Kultivierungsweges werden seit dem 20. Juli 1999 auf Geheiß des damaligen Parteichefs Jiang Zemin in China verfolgt. Er ist der Hauptverantwortliche für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Falun-Dafa-Praktizierenden.

[2] Das Büro 610 ist eine außergesetzliche Sicherheitsbehörde, die die Verfolgung von Falun-Dafa-Praktizierenden durchführt. Sie ist befugt, gesetzliche Anordnungen zu übergehen und ohne den Rechtsweg einzuhalten Falun-Dafa-Praktizierende zu verhaften.