So wie wir waren – Teil III

(Minghui.org) 

Teil ITeil II

Li Li stammte aus der Provinz Heilongjiang. Sie hatte ein schweres Leben: 1992 verlor sie ihre Mutter durch eine unbekannte Krankheit und 1994 ihren Bruder durch einen Gehirntumor. Sie heiratete 1981 und war die meiste Zeit in ihrer Ehe häuslicher Gewalt ausgesetzt. Ihr Mann hatte außereheliche Affären, ließ sich schließlich 1996 von ihr scheiden und heiratete bald darauf die Witwe ihres verstorbenen Bruders.

Trotz der Entbehrungen und des gebrochenen Herzens hielt Li an den Grundsätzen von Falun Dafa – Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht – fest. Sogar ihr ehemaliger Ehemann beschützte sie, als die Kommunistische Partei Chinas 1999 mit der Verfolgung von Falun Dafa begann. Ein Fernsehreporter, ein Freund von ihm, wollte ihn interviewen und ihn dazu bringen, Falun Dafa für das Zerbrechen seiner Ehe mit Li verantwortlich zu machen. Er lehnte diese Bitte seines Freundes entschieden ab. Als Li wegen ihres Glaubens inhaftiert war, bewahrte er ihre Falun-Dafa-Bücher an einem sicheren Ort auf. Nach ihrer Freilassung war sie gezwungen, von zu Hause wegzuziehen, um weitere Verhaftungen zu vermeiden. Daraufhin kümmerte er sich gut um den gemeinsamen Sohn.

Li starb später an den Folgen der Verfolgung durch die Kommunistische Partei Chinas. Diese zehnteilige Serie ist ihr persönlicher Bericht über ihre Geschichte.

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Obwohl ich Elend und Unglück erlebte, blieb ich fröhlich und war freundlich zu denen, die mich schlecht behandelten.

III. Teil: Ein größeres Potenzial erreichen

1976 wurde in China das reguläre System der Hochschulaufnahmeprüfung wiedereingeführt. Somit gehörte ich zur letzten Klasse der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenstudenten, die über eine Empfehlung an die Hochschule kamen.

Um weiterhin an meiner Universität unterrichten zu können, musste ich zusätzliche Qualifikationen erwerben. Daher beschloss ich, einige Postgraduiertenkurse zu belegen. Als ich an der Universität Heilongjiang nach einem dort tätigen Studienfreund suchte, begegnete ich Lu, der ein Jahr vor mir seinen Abschluss gemacht hatte und gleichfalls Philosophie studierte. Er arbeitete in der Bibliothek der Universität und freute sich sehr, mich zu sehen. Er erzählte mir, dass er nach mir gesucht hatte. Über einen gemeinsamen Freund fragte er mich, ob ich seine Freundin sein wolle.

Unterstützung und Glück finden

Da ich aufgrund meines schlechten Gesundheitszustands bereits zweimal verlassen worden war, hatte ich die Hoffnung auf eine romantische Beziehung aufgegeben. Nach meiner Ansicht war eine Heirat bloß ein notwendiger Schritt im Leben. Ich wusste, dass Lu ein guter Wissenschaftler war und während seiner Hochschulzeit hart arbeitete. Sein fleißiges Wesen gefiel mir, da ich einen Mann mit gutem Potenzial suchte. Ich war bereit, ihn bei der Verwirklichung seiner Ziele zu unterstützen, in dem Glauben, eine glückliche Ehe basiere auf harter Arbeit. Aus diesen Gründen ließ ich mich auf eine Beziehung mit Lu ein.

Begeistert über meine Zustimmung fing er an, seine Zuneigung in Dutzenden von Liebesbriefen mit Versen und Gedichten auszudrücken. Seine wunderschöne Ausdrucksweise und seine intensive Liebe eroberten schließlich mein Herz. Ich hätte nie gedacht, dass jemand eine derart enorme Leidenschaft für mich empfinden würde. Das gab mir Hoffnung. Mein über jahrelang gefrorenes Herz, schmolz, und ich fing an, Pläne für unser gemeinsames Leben zu schmieden.

Obwohl ich nach außen hin stark wirkte, war stets eine unmerklich zerbrechliche Seite in mir vorhanden, gepaart mit dem Wunsch nach Geborgenheit. Seit meiner Kindheit waren viele unlösbare Rätsel in mir verborgen. Aufgrund meiner Unzulänglichkeiten, verursacht durch meine schlechte Gesundheit, sehnte ich mich nach einem starken Menschen, der mich beschützen und unterstützen würde. In meiner Kindheit hatte mein Vater diese Position eingenommen. Als ich herangewachsen war und mein Elternhaus verlassen hatte, konnte er mir diesen Schutz nicht mehr bieten. Die Bekanntschaft mit Lu stärkte mich. Ich glaubte, er wäre derjenige, auf den ich mich zukünftig stützen konnte.

Lernen, schlechte Launen zu ertragen

Allmählich stellte sich heraus, dass Lu äußerst schlecht gelaunt war und sich manchmal seltsam verhielt. Wenn die Dinge nicht so liefen, wie er wollte, verlor er leicht die Beherrschung, was einen Streit zwischen uns entfachte. Es war schwer zu glauben, dass es sich um dieselbe Person handelte, die mir die glühenden Liebesbriefe geschrieben hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit jemandem wie ihm zusammenzuleben. Um zukünftiges Leiden zu vermeiden, beschloss ich, die Beziehung zu beenden. Aber er weigerte sich und zwang mich sogar, mich offiziell mit ihm als verlobt registrieren zu lassen, um mich daran zu hindern, ihn zu verlassen.

Erst als wir unsere Heiratsurkunde erhalten hatten, willigte er zu einem ersten Treffen mit meinen Eltern ein. Obwohl sie sich sehr zurückhielten, respektierten sie meine Entscheidung. Sie hießen ihren Schwiegersohn mit Freude willkommen und behandelten ihn gut.

Kurz nach unserer Hochzeit wurde ich schwanger. Da wir noch keine Wohnung hatten, schliefen wir auf dem Tisch im Lesesaal seiner Bibliothek.

Eines Tages lud er seinen Studienkollegen zum Abendessen ein. Wir bereiteten salzige Eier in einem Petroleumkocher und einige Beilagen zu. Während des Essens bemerkte ich, dass das Ei, das Lu seinem Freund reichte, einen unangenehmen Geruch hatte. Ich forderte ihn auf, sein gutes Ei mit dem seines Kollegen zu tauschen. Lu reagierte jedoch nicht, also tauschte ich meines aus.

Als der Studienkollege wieder gegangen war, gingen wir zurück in den Lesesaal, um uns zum Schlafen fertig zu machen. Kaum hatten wir den Raum betreten, schlug er mir zweimal ins Gesicht und stieß mich zu Boden. Zu diesem Zeitpunkt war ich im fünften Monat schwanger. Ich war über seine plötzliche Wut fassungslos und weinte. Niemand hatte mich je zuvor geschlagen, auch meine Eltern nicht. Zuerst war ich traurig, danach wütend. Ich sagte es jedoch niemandem, da es meine Entscheidung gewesen war, einen solchen Menschen zu heiraten.

Im darauffolgenden Jahr wurde uns eine kleine Wohnung zugewiesen, und mein Sohn wurde geboren. Die Ankunft meines Sohnes gab mir neue Hoffnung und half mir, meine Sorgen zu vergessen. Ich nannte ihn „Lu Lu“ und mein Vater nannte ihn „Lu Yifan“. Lu Lu wollte tagsüber stets in meiner Nähe sein und ließ sich von niemandem anfassen, nicht einmal von seinem Vater. Wenn er schlief, legte er seine Hände auf meine Hände oder mein Gesicht, als fürchtete er, mich zu verlieren.

Lu begann, sich auf die Prüfungen der juristischen Fakultät vorzubereiten. Er arbeitete rund um die Uhr und half zu Hause nicht mit. Also nahm ich Lu Lu mit zur Arbeit und erledigte alle Arbeiten im Haushalt selbst. Die schlechte Laune meines Mannes verschlimmerte sich zusehends. Er stritt sich nicht nur mit mir, sondern auch mit meinen Geschwistern und sogar mit meiner Mutter.

Meine Mutter war krank. Trotzdem kam sie uns besuchen, da sie uns vermisste. Bereits nach kurzer Zeit geriet Lu mit meiner Mutter in Streit, so dass sie früher als geplant abreiste. Sie konnte seine schlechte Laune nicht ertragen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Ich konnte nicht länger zusehen, wie er meiner Familie Schaden zufügte. Ich setzte meinen Sohn ab, um wegzugehen. In diesem Moment brach Lu Lu in Tränen aus. Er schien auf einmal gereift zu sein, und seine Augen schienen mich anzuflehen, ihn nicht zu verlassen. Ich wischte seine Tränen ab und nahm ihn auf den Arm. Dabei wurde mir klar, dass ich um meines Sohnes Willen ausharren musste – egal wie unglücklich ich war.

Umzug nach Changchun

1984 wurde Lu zum Postgraduiertenstudium an der juristischen Fakultät der Universität Jilin in Changchun zugelassen. Ich blieb mit meinem Sohn in Harbin. Als Lu zwei Jahre später seinen Abschluss gemacht hatte, unterrichtete er an der Universität Jilin. Ich wechselte an die marxistisch-leninistische Abteilung der Universität Jilin, wo mein Sohn die Vorschule besuchte. Nachdem wir in die uns zugewiesene Wohnung gezogen waren, erwarben wir unseren ersten Farbfernseher und fingen sogar an, etwas Geld zu sparen. Endlich kam ich in den Genuss von etwas Süße in meinem Leben!

Changchun ist eine schöne mittelgroße Stadt. Sie war ordentlich und sauber, und die Straßen waren von Bäumen gesäumt. Viele Universitäten, verschiedene Forschungseinrichtungen, das berühmte Changchun-Filmstudio und die erste Automobilfabrik hatten dort ihren Hauptsitz. Die Universität befand sich im Stadtzentrum. Sie bot verschiedene Seminare zu einer Vielzahl von Themen an, und die Bibliothek verfügte über eine riesige Sammlung von Büchern. Ich besuchte so viele Seminare wie möglich und verbrachte meine Zeit oft in der Bibliothek, um die Ressourcen zur Erweiterung meines Wissens voll auszuschöpfen.

Egoismus zeigt sich bei schlechtem Gesundheitszustand

Das Auditorium der Universität bot regelmäßig verschiedene Aktivitäten an: Filme, Qigong-Kurse, Berichte und Tanzabende. Aber mein schlechter Gesundheitszustand hinderte mich daran, an den meisten davon teilzunehmen. Lus Bemerkung: „Deine Körperteile scheinen nur ungern zusammenzuhalten“, entsprach der Wahrheit. Ich hatte täglich mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

Einer meiner Kollegen, der gleichfalls kränkelte, machte mich mit Qigong bekannt. Ich abonnierte viele Qigong-Zeitschriften und nahm an Qigong-Kursen teil. Über längere Zeit studierte und praktizierte ich verschiedene Qigong-Arten. Aber keine von ihnen konnte die Fragen beantworten, die mich seit meiner Kindheit begleiteten. Außerdem verschlechterte sich mein Gesundheitszustand, anstatt sich zu verbessern. Ich sagte mir, wenn Qigong nicht die Antwort auf meine Fragen ist, wird es auch nicht in der Lage sein, mich von meinen körperlichen Beschwerden zu befreien. So gab ich es auf.

Meine Beziehung zu Lu blieb weiterhin sehr angespannt. Wenn er kein Geld hatte, war er verzweifelt. Als er endlich welches besaß, fing er an, mit Freunden zu trinken und zeigte viele schlechte Angewohnheiten. Er ging auf Tanzpartys und war ständig betrunken. Da er keinen Gefallen an mir fand, stritt er noch mehr mit mir.

Einige Jahre nach seiner Lehrtätigkeit an der Universität Jilin beschloss Lu, einen Doktortitel zu erwerben. 1990 wurde er in das Doktorandenprogramm der juristischen Fakultät der Universität Wuhan aufgenommen. Mein Sohn und ich waren einmal mehr auf uns allein gestellt.

Unentwegtes Leiden

Nachdem mein Mann ausgezogen war, dachte ich oft über unsere Beziehung nach und kam zu dem Schluss, dass meine Gefühle in den Jahren unserer Ehe folgende Phasen durchlaufen hatten: Hoffnung, Traurigkeit, Frustration, Enttäuschung und Verzweiflung. Wir waren das Gegenteil voneinander. Ich machte mir nichts aus Geld, aber er war davon besessen. Ich mochte die Stille, aber er war laut. Unsere Meinungsverschiedenheiten, die zahllosen Streitereien, gepaart mit meinen körperlichen Schmerzen, gaben mir das Gefühl, mich in einer Sackgasse zu befinden. Ich war verzweifelt und litt unter enormen Schmerzen. Oft lief ich ziellos allein auf einer Straße, ohne zu wissen, welcher Tag gerade war. Ich vergaß sogar die Feiertage. Mir war unverständlich, warum ich keine Akzeptanz in der Gesellschaft finden konnte.

Ich dachte über den Tod nach; es schien für mich der beste Weg, all meine Probleme zu lösen und meinen Schmerz zu lindern. Aber dann wurde mir klar, dass ich nicht sterben durfte. Meine Eltern und Geschwister wären am Boden zerstört. Ich musste das Leiden ertragen, denn ich konnte meiner Familie nicht wehtun.

Durch schmerzhafte Erfahrungen erkannte ich schließlich den Grund, warum das Leben mit Lu so unerträglich war: In all den Jahren hatte ich mich stets bemüht, meinen Mann zu dem Menschen zu formen, den ich haben wollte. Und zum Schluss war ich enttäuscht und unglücklich, wenn er meinem Arrangement nicht folgte. Ich erkannte, dass ich egoistisch gewesen war und jeder Mensch ein unabhängiges Individuum ist. Durch diese Offenbarung lernte ich, dass ich mich auf niemanden außer auf mich selbst verlassen darf!

(Fortsetzung: Teil IV)